Die Schmetterlingsinsel
Stirn hat, sich hier noch einmal blicken zu lassen, werden Sie dafür sorgen, dass der Kerl verschwindet, und zwar ein für alle Mal!«
»Sie meinen, ich soll …« Cahill stockte der Atem.
»Sie werden es tun!«, schnarrte Henry ihn an, dann setzte er ein böses Lächeln auf. »Dafür, dass Sie die Information so lange vor mir verborgen haben! Sie werden die Spuren aus der Welt schaffen, und zwar alle. Dann werde ich vielleicht darüber hinwegsehen, dass Sie mich hintergangen haben, und Sie auf der Plantage belassen. Anderenfalls können Sie und Ihre Familie die Koffer packen.«
Als Tremayne ihn losließ, war es, als sei ein Blitz in seinen Körper gefahren. Minutenlang konnte er sich nicht rühren. Und auch seinen Blick nicht von dem Mann abwenden, der vor Zorn kochte, weil ihm eines der liebsten Dinge genommen wurde.
Was würdest du tun, wenn es deine Megan gewesen wäre?, ging es ihm durch den Kopf. Die Antwort kam prompt: Ich würde diesen Kerl umbringen. Und damit war sein weiterer Weg klar.
Tage- und nächtelang hatte Cahill darüber gegrübelt, wie er Vikrama in einen Hinterhalt locken sollte. Der gescheiterte Versuch, ihn zu verprügeln, machte den Advokaten vorsichtig. Der Junge ist ein geübter Kämpfer, gegen den du keine Chance hast. Um dich umzubringen, braucht er nicht einmal eines seiner Messer.
Doch bevor er ihn überhaupt stellen konnte, musste er wieder auftauchen. Tremaynes sowie Stocktons Männer suchten noch immer vergeblich nach ihm.
Dann lächelte ihm das Schicksal zum ersten Mal nach vielen Wochen wieder zu. Als er, wie so oft in der vergangenen Zeit, schlaflos vor dem Fenster seines Arbeitszimmers saß, erblickte er eine Gestalt, die durch den Garten huschte. Anhand seiner Bewegungen erkannte er ihn sofort. Doch was wollte Vikrama hier? Grace war jetzt schon bald einen Monat fort, und der Herr hatte ihm ausdrücklich verboten, sich hier sehen zu lassen. Machte er sich jetzt an das andere Mädchen heran?
Kurz entschlossen zog er seine Hose über das Nachthemd, öffnete dann die Schublade seines Schreibtisches. Das Metall des Revolvers funkelte ihn böse an. Ein Schuss würde sicher meilenweit zu hören sein. Doch eine andere Möglichkeit, den Burschen zu überrumpeln, gab es nicht. Selbst mit einem Messer würde er ihm wahrscheinlich unterlegen sein. Nachdem er die Waffe in seinem Hosenbund verstaut hatte, verließ er das Haus. Wie ruhig die Plantage wirkte! Nur das Rascheln des Bambus und das Rauschen der Bäume lag wie Feengeflüster in der Luft.
Gerade noch so konnte er Vikrama ausmachen, der ganz offensichtlich auf dem Weg zum Herrenhaus war. Der Bur sche hat Nerven, dachte Cahill beinahe bewundernd. Er selb st hätte sich nach der Prügelei nicht mehr hierhergewagt.
Im Schutz der Baumschatten und Hecken folgte ihm der Advokat. Die Fenster des Hauses waren allesamt dunkel, wie tote Augen blickten sie auf das Rondell und den Brunnen, dessen Spiegel jetzt, da die Fontäne nicht mehr arbeitete, beinahe glatt war.
Bei allem Mut, den er an den Tag legte, wagte Vikrama es nicht, durch die Haustür zu gehen. Vom Schlagschatten geschützt umrundete er das Gebäude und entschwand Cahills Blicken.
Was hatte er nur vor?
Als er um die Hausecke spähte, sah er Vikrama vor einem offenstehenden Fenster. Eine schlanke Mädchenhand erschien, um etwas von ihm anzunehmen. Ein längliches, in ein Tuch eingeschlagenes Päckchen. Er wechselte mit ihr ein paar Worte, die Cahill nicht verstand, dann zog er sich zurück. Die Hand des Advokaten legte sich auf den Revolver. Noch nicht. Als Vikrama sich umwandte, duckte er sich rasch in den Schatten. Er kam zurück. Während sich die Schritte näherten, verbarg sich Cahill hinter einem der üppigen Rhododendron-Büsche und wartete. Kehrte er jetzt wieder in sein Quartier zurück? Cahill blickte sich zum Haus um. Wie standen die Chancen, dass ein Schuss sämtliche Bewohner und Plantagenarbeiter weckte?
Bevor er eine Antwort finden konnte, verschwand Vikrama im Buschwerk. Das war nicht der Weg zu den Quartieren. Wo wollte er hin?
Als Cahill sich sicher war, dass Vikrama ihn nicht sehen konnte, erhob sich der Advokat aus dem Gebüsch und folgte ihm.
Als er selbst in das Gestrüpp eintauchte und den Schritten lauschte, wurde ihm plötzlich klar, wohin der Bursche wollte. In die Plantage. Vielleicht zu dem Ort, an dem er Miss Grace verführt hatte?
Der Gedanke an den nackten Leib des Mädchens und an das, was die beiden getrieben hatten, ließ Cahills
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