Die Schmetterlingsinsel
ich habe mich jetzt gefunden. Außerdem können Neuanfänge ziemlich spannend sein, findest du nicht?«
»Gehört zu deinem Neuanfang auch, dass du einen Mitbewohner in Tremayne House aufnehmen würdest?«
Jetzt pochte ihr Herz so laut, dass sie fürchtete, sich einen Tinnitus eingefangen zu haben.
»Was sagst du da?«
»Sagen wir es mal so, ich habe ebenfalls vor, eine Weile in England zu bleiben, denn mein Buch zu Ende schreiben kann ich auch hier – und gleichzeitig könnte ich es einem englischen Verlag anbieten. Wäre es möglich, dass ich eine Weile bei dir unterkomme?«
Es fiel Diana schwer, nicht einfach loszukreischen wie ein begeisterter Teenager. Sie biss sich kurz in den Handrücken, um sich wieder zur Vernunft zu bringen, dann antwortete sie: »Ich glaube schon, dass wir ein Zimmer frei haben. Ich werde Mr Green Bescheid sagen, dass er es herrichten soll.«
Drei Tage später holte Jonathan sie aus Heathrow ab. Inzwischen hatte Diana die wichtigsten Dinge geklärt und konnte nun voraus auf ihr neues Leben schauen.
»Du hast mir so gefehlt«, wisperte Diana in sein Ohr, nachdem sie sich leidenschaftlich geküsst hatten.
»Aber das waren doch nur ein paar Tage«, entgegnete er mit schelmischem Funkeln in den Augen.
»Eine Ewigkeit!«, entgegnete Diana, dann hakte sie sich bei ihm ein.
Später, als sie in der Küche saßen und Mr Green es sich nicht nehmen ließ, sie mit Tee und Gebäck zu verwöhnen, breiteten sie auf dem langen, von zahlreichen Messerschnitten verwundeten Holztisch das Ergebnis ihrer Forschungsarbeiten aus. »Setzen Sie sich doch, Mr Green«, sagte Diana, nachdem sie den Butler eine Weile beim Herumwuseln beobachtet hatte.
Er würde es natürlich nicht zugeben, dass er darauf brannte, alles zu erfahren. »Da Sie einen nicht unmaßgeblichen Anteil an der Geschichte haben, sollen Sie erfahren, was wir herausgefunden haben.«
Nachdem der Butler ihrer Aufforderung nachgekommen war, berichteten Diana und Jonathan abwechselnd von ihren Erkenntnissen, den erschreckenden wie den überraschenden. Mr Green lauschte dem mit gleichmütiger Miene, so als hätte er es schon seit langem gewusst, doch als die Sprache auf das Tagebuch des verrückten Mr Cahill kam, kerbte eine nachdenkliche Falte seine Stirn.
»Ich frage mich gerade, wie viel Mrs Woodhouse davon selbst wusste. Dass ihre Mutter bis zu ihrem zwölften Lebensjahr auf der Plantage gelebt hatte, war ihr bekannt. Als Mrs Woodhouse mich einweihte, sprach sie von einem Geheimnis um ihre Großtante Grace, einem Vorfall in Ceylon.« Mr Green nahm einen Schluck aus seiner Teetasse. »Ich frage mich, ob Lady Deidre ihr Wissen bewusst größtenteils mit ins Grab genommen hat, denn ich glaube nicht, dass Lady Victoria gegenüber ihrer Tochter nichts von Grace und dem unehelichen Kind erwähnt hat.«
»Nicht jeder Mensch offenbart all sein Wissen, nicht einmal auf dem Sterbebett«, merkte Jonathan nachdenklich an. »Manchmal möchte er einfach nicht, dass gewisse Dinge ans Licht kommen, besonders, wenn sie für die Familie oder die Person selbst schädlich sein könnten.«
»Außerdem oblag es Emmely nicht, die Wahrheit herauszufinden, denn sie war nicht der letzte Nachfahre der Tremayne-Familie«, gab Diana zurück. »Aber ich bin sicher, dass sie es verkraftet hätte. Emmely war sehr stark.«
»Das war sie in der Tat.«
Ein innerer Sonnenstrahl, der auf einen Fetzen Erinnerung an Emmely fiel, zauberte ein Lächeln auf Dianas Gesicht.
»Ich glaube allerdings, damit ist es noch nicht getan.«
Mr Green erhob sich und verließ die Küche. Diana blickte Jonathan fragend an.
»Wäre es möglich, dass er dir noch ein paar Spuren vorenthalten hat?«
»Ich würde es nicht ausschließen. Er hat seine Hinweise wirklich gut dosiert.«
Bei seiner Rückkehr hatte Mr Green einen braunen Umschlag bei sich und erklärte: »Das Foto, das ich Ihnen gemailt habe, war nur eines von dreien. Da ich von Ihnen keine Antwort erhalten habe, bin ich davon ausgegangen, dass Sie anderweitig beschäftigt waren.«
»Wir hätten auch entführt worden sein können.«
»Dergleichen wäre im Fernsehen berichtet worden, also hatte ich keine Sorge. Sie haben in der Vergangenheit hinlänglich bewiesen, dass Sie dazu fähig sind, allein auf sich aufzupassen.« Lächelnd öffnete er den Umschlag und holte zwei Schwarzweißfotos hervor.
Das eine zeigte einen Grabstein, das andere das Gemälde von Victoria und Grace als Kinder.
Diana sah den Butler fragend an.
Weitere Kostenlose Bücher