Die Schmetterlingsinsel
Menschen können sich ändern. Besonders dann, wenn sie wissen, an welcher Stelle sie einen Fehler machen.«
»Aber glaubst du nicht, dass man sein Schicksal gerade dadurch erfüllt, indem man es zu verhindern sucht?«
»Das ist ein Argument.« Er strich mit der Wange über ihr Haar. »Weißt du, irgendwie gefällt es mir, dass wir mehr gemeinsam haben, als wir zunächst dachten.«
»Unser tamilisches Erbe.«
»Richtig. Vielleicht kannte einer meiner Vorfahren sogar deine Vorfahren. Immerhin stammen die indischen Tamilen, die von den Briten mitgebracht wurden, aus einer Region. Sie waren vielleicht auf demselben Schiff.«
»Na hoffentlich sind wir nicht auch noch miteinander verwandt wie Grace und Vikrama.« Diese Erkenntnis erregte noch immer Unwohlsein. In Königshäusern mochten Cousins sämtlicher Grade miteinander verheiratet worden sein, Diana selbst bereitete die Vorstellung, innerhalb der Familie heiraten zu müssen, Unbehagen.
»Nein, das sind wir ganz sicher nicht.« Jonathan nahm ihre Hand und küsste sie.
Eine Stunde später verließen Diana und Jonathan Vannattuppuc c i , nachdem sie Manderley gedankt und ihm versprochen hatten, ihm eine Zusammenfassung der Ereignisse für die Chronik zu schicken.
Der Fahrer stand überpünktlich vor dem Tor und brachte sie in rasanter Fahrt durch den Busch zu der kleinen Bahnstation, an der sie vor etwas mehr als einer Woche angekommen waren.
Während der überfüllte Zug in Richtung Colombo rumpelte, betrachtete Diana etwas wehmütig die Berge von Nuwara Eliya. Jetzt, wo sie wusste, dass hier ein Teil ihrer Wurzeln lag, fiel es ihr schwer, einfach zu gehen. Ich komme wieder, versprach sie in Gedanken. Irgendwann.
Wieder im Dorf angekommen, stießen sie diesmal auf keine Feierlichkeit. Still reihten sich die Hütten am Strand auf. Lediglich ein paar Kinder tummelten sich im Sand und rannten laut kreischend einem kleinen, hellbraunen Hund nach, der mit heraushängender Zunge seinen Verfolgern zu entkommen versuchte.
»Ob Mr Vijita zurück ist?«, fragte Diana ein wenig beklommen, während sie die Schachtel aus dem Rucksack zog. Als sie sie öffnete, prickelte es in ihren Handflächen. Was konnte dieses Palmblatt ihr noch erzählen?
Zum Beispiel, ob es Graces oder Vikramas Vorhersage war. Und ob sie so eingetroffen war, wie es vor tausend Jahren niedergeschrieben worden war.
Jonathan hörte sich kurz im Dorf um und kam dann zu ihr gelaufen.
»Wir haben Glück, er ist wieder da. Nicht hundertprozentig genesen, doch sein Sohn meint, wir können mit ihm sprechen.«
Die Hütte des Alten war sehr ordentlich, doch mit westlichen Augen betrachtet ein Elendsquartier. Es gab ein einfaches Bett, einen kleinen Tisch, dessen Beine etwas schräg standen, zwei Stühle, die nicht viel besser aussahen, und eine Kommode, in der der alte Mann wahrscheinlich sein ganzes Hab und Gut aufbewahrte, das aus ein paar Kleidungsstücken und Erinnerungen bestand.
Er selbst saß auf dem Bett, als sie eintraten, gekleidet in ein Hemd und einen traditionellen Sarong, die Füße steckten in Sandalen. Mit einem zahnlosen Lächeln begrüßte er seine Gäste, betrachtete Diana genau und bedeutete ihnen dann, Platz zu nehmen.
Da der Mann nur Tamil und Singhalesisch sprach, führte Jonathan die Unterhaltung und reichte ihm dann auch das Blatt. Der alte Mann betrachtete es mit in Falten gelegter Stirn, dann gab er ein paar schnelle Worte von sich.
»Was meint er?«, flüsterte Diana. »Kann er etwas damit anfangen?«
»Ich denke schon«, entgegnete Jonathan in gedämpftem Tonfall. »Er meint, dein Palmblatt stammt nicht aus einer Bibliothek.«
»Nicht?« Diana zog die Augenbrauen hoch. »Aber …«
»Er sagt, dass dieses Horoskop für eine Hochzeit erstellt wurde. Es ist Brauch, die Horoskope von Braut und Bräutigam zu vergleichen, bevor sie sich vermählen. Das soll unglückliche Verbindungen ausschließen.«
Wieder sagte der Alte etwas in seinem typischen Stakkato. Jonathan antwortete, dann schienen die beiden eine Weile zu diskutieren. Vielleicht hätte ich mir ein paar Worte von ihm beibringen lassen sollen, ging es Diana durch den Kopf. Wie Grace es getan hatte.
Schließlich erklärte Jonathan ihr: »Er ist sich ganz sicher, das Palmblatt ist ein Hochzeitshoroskop.«
»Aber Grace hat doch von einem Palmblatt gesprochen, das ihrer Familie Unglück prophezeit hatte.«
»Dann muss das eines gewesen sein, das nur als Abschrift existierte. Da Palmblätter von den
Weitere Kostenlose Bücher