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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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das er flink ­unter seinem Gewand verschwinden ließ. Dann erhob er sich und führte sie in einen kleinen Raum, in dem die blaue Farbe ebenfalls von den Wänden bröckelte. Das, was offenbar so etwas wie ein Wartezimmer sein sollte, war vollkommen leer. Hinter einem Vorhang aus buntem Stoff rumorte es.
    Grace spürte, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. Und wenn dahinten eine Bande von Vergewaltigern lauerte?
    »Du kommen.« Der Mann deutete auf Grace. Diese schlug erschrocken die Hand auf die Brust.
    »Nicht wir beide?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Immer ein Blatt pro Person. Du kommen erst, dann andere Miss.«
    Grace blickte panisch zu Victoria. Diese schien ein wenig enttäuscht zu sein, dass sie nicht als Erste hinter den Vorhang durfte, ihre Ängste schien sie trotz des Konsums von vor Gewalt nur so strotzenden Schauerromanen nicht zu teilen.
    »Du kommen!«, sagte der Mann nun mit Nachdruck, während er den Vorhang beiseiteschob. Aus dem kurzen Gang dahinter leuchtete ihnen helles Tageslicht entgegen.
    Mit einem klammen Gefühl in der Magengegend folgte Grace dem Mann ins Hinterzimmer. Mit einem Ohr lauschte sie dabei immer wieder nach vorne, in banger Erwartung, dass Victoria aufschreien würde, weil ein Mädchenhändler sie packte. In London hätte das in einer Gegend wie dieser passieren können.
    Unvorstellbar, dass ich hierbei mitmache, dachte sie erneut. Wenn Mutter das wüsste, würde sie uns von Miss Giles eine ganze Woche lang Lektionen über gutes Benehmen geben lassen. Dazu gehörte es, in einem fremden Land nicht von der Straße abzuweichen, ja sich gar nicht erst in solch ärmliche Gegenden zu begeben, wo es vor Dieben und Halsabschneidern nur so wimmelte. Schon auf dem Weg hierher war ihr jeder Blick, jedes unverständliche Wort feindselig erschienen. Es wäre besser gewesen, in lichteren Gefilden Colombos zu bleiben.
    Ihr stummer Sermon fand ein Ende, als sie einen weißhaarigen, braungebrannten Mann in einer weißen Kutte erblickte. Trotz seines recht hohen Alters saß er in einer selt­samen Haltung auf einer Palmblattmatte, neben sich ein kleines Gefäß, dem ein würziger Geruch entströmte.
    Während ihr Begleiter dem Alten jetzt etwas in seiner Muttersprache sagte, schämte sich Grace nun für ihren Verdacht. Der Alte könnte gut ihr Großvater sein und hatte offensichtlich kein Verlangen danach, über eine junge Frau herzufallen. Neben ihm auf dem Boden lagen längliche Gebilde, die Grace an chinesische Fächer erinnerten, nur dass sie wesentlich größer und mit seltsamen Zeichen bedeckt waren.
    »Ich dir Frage stellen, du antworten«, kündigte der junge Mann an, während er nach einer Feder und einem Stück Papier griff. Erschrocken blickte Grace auf und bemerkte, dass der alte Mann sie musterte. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie ihn beim Eintreten nicht gegrüßt hatte. Wie ungehobelt von ihr! Doch was sollte sie zu diesem Mann sagen? Sie nickte ihm kurz zu, dann schoss der Gehilfe des Alten – nichts anderes war der Mann mit der roten Stirnzeichnung – schon die ersten Fragen auf sie ab.
    Wie ihr Name sei, wer ihre Eltern waren, woher sie kam, wann sie geboren sei und so weiter.
    Nur äußerst widerwillig gab Grace die Antworten, denn noch immer vermutete sie einen Betrug hinter dem Geschehen. Den Gedanken, falsche Angaben zu machen, verwarf sie allerdings rasch wieder, denn wenn dies hier wirklich ein Zukunftsorakel war, würde es vielleicht schlimme Auswirkungen auf ihre Prophezeiung haben. Nicht, dass sie daran glaubte, aber sie kannte sich gut genug aus, um zu wissen, dass ein schlechtes Zukunftsomen ihr tagelang den Schlaf rauben würde, weil sie nicht sicher sein würde, ob doch etwas daran war.
    Nachdem er alle Antworten niedergeschrieben hatte, verschwand der Gehilfe in einem weiteren Raum und verschloss die Tür davor so sorgsam, als fürchte er, dass etwas daraus gestohlen werden konnte. Grace blickte sich unsicher um. Der alte Mann, der während der ganzen Zeit kein einziges Wort gesagt hatte, sah sie noch immer bohrend an. Um seinem Blick zu entgehen, wandte sich Grace dem Vorhang zu, hinter dem Victoria im Wartezimmer saß. Dort war alles ruhig. Wahrscheinlich langweilte sie sich gerade oder fragte sich, wo ihre Schwester abgeblieben war …
    Ein Rascheln brachte sie dazu, wieder auf die gegenüberliegende Tür zu blicken, in der der Gehilfe mit einem schmalen braunen Blatt, das einem Lineal ähnelte, erschien.
    »Ich finden Blatt für Miss«, verkündete

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