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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Zigarette an, aber statt sie zu rauchen, blies er eine Reihe von Rauchringen in die Luft und fädelte sie am Ende an einem einzigen Rauchstrahl auf. Die Rauchringe hingen lange in der Luft, ohne zu vergehen. Seine Hände und Füße hörten keinen Augenblick auf, sich zu bewegen. Er glich einem der kleinen Affen, die auf dem Berg des Weißen Affen leben. Kleiner, sagte er, und drehte sich in seinem Sessel um, ich werde Mo Yan und dir eine Geschichte über Alkohol erzählen, die ich nicht erfunden habe. Geschichten erfinden ist dein Beruf.
     
    Er sagte: Es war einmal vor langer Zeit, da stellte ein Kneipenbesitzer hier in der Eselsgasse einen ausgemergelten Zwölfjährigen als Lehrling ein. Über dem langen, hageren Hals des Jungen thronte ein viel zu großer Kopf; seine großen schwarzen Augen glichen bodenlosen Brunnenschächten. Er arbeitete hart – holte Wasser, fegte den Boden, putzte die Tische, tat, was immer man von ihm verlangte –, und er war sehr fähig, was den Besitzer ungemein freute. Aber die Geschichte hat eine andere, eine dunkle Seite: Vom ersten Tag an, an dem der Lehrling die Kneipe betreten hatte, war eine auffällige Differenz zwischen den Schnapsmengen, die aus den Fässern verschwanden, und dem Geld, das in der Kasse landete, zu verzeichnen. Der Besitzer und seine Angestellten wunderten sich höchlich darüber. Eines Abends, nachdem die Fässer aus mehreren Schläuchen bis zum Rand mit frischem Schnaps aufgefüllt worden waren, versteckte sich der Besitzer in der Nähe, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. In der ersten Hälfte der Nacht geschah nichts, und der Besitzer stand kurz vor dem Einschlafen, als er ein schwaches Geräusch hörte, Schritte so leise wie der sanfte Tritt einer Katze. Eine schattenhafte Gestalt glitt näher. Beim langen Warten hatten sich die Augen des Besitzers an die Dunkelheit gewöhnt, und es fiel ihm nicht schwer, die dunkle Gestalt als die seines Lehrlings zu identifizieren. Die Augen des Knaben waren smaragdgrün wie Katzenaugen. Schwer atmend hob er den Deckel von einem der Fässer, vergrub seinen Mund in dem Inhalt und begann den Alkohol aufzusaugen. Erstaunt sah der Besitzer mit angehaltenem Atem zu, wie der Flüssigkeitsspiegel sank und sank. Nachdem er sich an einer reichlichen Menge Schnaps aus mehreren Fässern gütlich getan hatte, schlich der Junge auf Zehenspitzen davon. Das Rätsel war gelöst, und der Besitzer stand schweigend auf und ging ins Bett. Als er am nächsten Morgen seine Vorräte überprüfte, sah er, dass aus jedem Fass gut dreißig Zentimeter Flüssigkeit fehlten. Er hatte eine Fähigkeit zum Alkoholgenuss beobachtet, die jeder Beschreibung spottete. Als gebildeter Mann erkannte er, dass im Bauch seines Lehrlings ein seltenes Kleinod lebte, eine so genannte «Schnapsmotte». Wenn er eine davon erwischen und in sein Schnapsfass sperren könnte, würde sich das Fass nicht nur auf alle Zeiten von selbst nachfüllen, sondern auch die Alkoholqualität im Fass würde sich beachtlich verbessern. Also ließ er den Lehrling fesseln und neben dem Fass festbinden. Er gab ihm nichts zu essen und zu trinken und ließ seine Angestellten den Schnaps im Fass immer wieder umrühren. Die Luft war erfüllt von köstlichem Schnapsgeruch und den kläglichen Schreien des armen Lehrlings, der sich in seiner Qual drehte und wand. Das ging sieben Tage so weiter, bis der Besitzer den Lehrling freiließ. Der stürzte sich sofort auf eins der Fässer, steckte seinen Kopf in die Flüssigkeit und begann gierig zu trinken. Plötzlich hörte man ein lautes Plumpsen, und ein krötenähnliches Geschöpf mit rotem Rücken und gelbem Bauch fiel in das Fass.
    Weißt du, wer der junge Lehrling war?, fragte Yu Yichi mit umdüsterter Stimme. Ich sah den schmerzverzerrten Ausdruck in seinem Gesicht und fragte: Waren Sie das?
    Wer zum Teufel sonst? Natürlich war ich es! Hätte der Kneipenbesitzer das Kleinod in meinem Bauch nicht gestohlen, hätte ich es gut zum Weingott bringen können.
    So schlecht geht es Ihnen aber heute auch nicht, tröstete ich ihn. Sie besitzen Reichtum und Macht, Sie essen und trinken, was Sie wollen, und Sie amüsieren sich, mit wem Sie wollen. Ich glaube, so gut hat es nicht einmal ein Weingott.
    Quatsch! Nachdem er mein Kleinod gestohlen hatte, gehörte meine Trinkfestigkeit der Vergangenheit an. Und das ist der einzige Grund dafür, dass ich der Tyrannei dieses Verbrechers Jin Gangzuan ausgeliefert bin.
    Der Stellvertretende Abteilungsleiter Jin

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