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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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diesen Teil der Arbeit abzunehmen. Ein besseres Angebot können Sie mit einer Laterne suchen. Also zögern Sie bitte keinen Augenblick.
    Verehrter Meister, um Ihre Begeisterung weiter zu schüren und Sie davon zu überzeugen, dass Yu Yichi das Musterexemplar eines liebenswerten Gauners ist, habe ich eine dokumentarische Erzählung mit dem Titel Yichi, der Held geschrieben. Ich wüsste gerne, was Sie davon halten. Wenn Sie sich entschließen, nach Jiuguo zu kommen und die Biographie zu schreiben, brauchen Sie das Manuskript niemand anderem zu zeigen. Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, und ich habe nichts sonst, womit ich mich für Ihre Freundlichkeit bedanken könnte. Betrachten Sie diese Erzählung einfach als ein bescheidenes Zeichen meiner Wertschätzung.
     
    Respektvoll wünscht Ihnen frohes Schaffen
    Ihr Schüler
    Li Yidou

III
     
    Yidou, mein Bruder!
     
    Dein Brief und die «dokumentarische Erzählung» Yichi, der Held sind gut angekommen.
    Dein letzter Brief war von rücksichtsloser Offenheit geprägt. Das ist etwas, das ich zu schätzen weiß. Mach dir also keine Sorgen. Ich konnte nicht gleich antworten, weil ich unterwegs war. Wegen deiner Erzählungen habe ich immer noch nichts gehört. Ich kann nur zu Geduld raten.
    Drache und Phönix glücklich vereint ist nichts weiter als eine kulinarische Spezialität. Insoweit hat sie keine Klassenzugehörigkeit und kann infolgedessen auch nicht mit der Begründung angegriffen werden, sie leiste bourgeoisen Liberalisierungstendenzen Vorschub. Du brauchst sie also weder aus Eselsgasse noch von Yu Yichis Speisekarte zu streichen. Sollte ich einmal nach Jiuguo kommen, würde ich diese kulinarische Delikatesse der Weltklasse gerne probieren, und wie sollte ich das tun, wenn sie nicht mehr auf der Speisekarte steht? Überdies haben die Zutaten einen so hohen Nährwert, dass es eine Schande wäre, sie nicht zu essen. Dumm wäre es auch. Und da sie nun einmal gegessen werden müssen, gibt es vermutlich keine zivilisiertere Zubereitungsart als Drache und Phönix glücklich vereint. Und schließlich, selbst wenn du versuchen solltest, sie von der Speisekarte zu streichen, würde Herr Yu das vermutlich nicht zulassen.
    Ich fange an, mich immer mehr für die Figur Yu Yichi zu interessieren, und bin im Prinzip bereit, mit ihm an seiner Lebensgeschichte zusammenzuarbeiten. Das Honorar kann er bestimmen. Wenn er viel geben will, werde ich es annehmen. Wenn er wenig geben will, werde ich auch das annehmen. Wenn er gar nichts geben will, ist das auch in Ordnung. Es ist nicht das Geld, das mich an dem Projekt reizt, sondern der Erfahrungsschatz. Ich habe den vagen Eindruck gewonnen, dass Yu Yichi die Seele von Jiuguo darstellt, dass er den Geist unseres Zeitalters verkörpert: halb Engel und halb Teufel. Die Enthüllung der geistigen Verfassung eines solchen Menschen könnte sehr wohl meinen größten Beitrag zur Literatur darstellen. Du kannst Herrn Yu meine vorläufige Zusage übermitteln.
    Über Yichi, der Held kann ich dir keine Komplimente machen. Du nennst es eine dokumentarische Erzählung, aber in meinen Augen ist es ein chaotisches Potpourri, das in jeder Beziehung die wild verstreuten Teile vom Esel in Yichis Taverne widerspiegelt. Du hast einen Brief an mich, Auszüge aus Denkwürdigkeiten der Schnapsstadt und das unzusammenhängende Gestammel Yu Yichis in den Text eingebaut. Der Text ist so ungezügelt wie ein himmlischer Hengst, der ohne jede Kontrolle über die Wolken rast. In der Vergangenheit hat man mir vorgeworfen, ich kenne weder Kontrolle noch Selbstbeherrschung, aber im Vergleich zu dir bin ich ein Musterbeispiel an Mäßigung. Wir leben in einer Zeit des strikten Gehorsams und der Befolgung der Gesetze, und das gilt auch für die Belletristik. Deshalb habe ich nicht vor, dein Manuskript an die Volksliteratur zu schicken. Es wäre die reine Zeitverschwendung. Ich werde es vorläufig behalten und es dir zurückgeben, wenn ich Jiuguo besuche. Wie du vorgeschlagen hast, werde ich mich auf das Quellenmaterial der Erzählung beziehen. Vielen Dank für dein großzügiges Angebot. Noch eine Frage: Besitzt du ein Exemplar von Denkwürdigkeiten der Schnapsstadt? Wenn ja, schick es mir bitte, sobald es geht. Wenn du Angst hast, dass es unterwegs verloren geht, schick mir bitte eine Fotokopie. Für die Kosten komme ich auf.
     
    Friede sei mit dir
    Mo Yan

IV
     
    Yichi, der Held
     
    Nimm nur Platz, Herr Doktorand, und lass uns offen miteinander sprechen,

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