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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Affenschnaps-Festival einladen. Ich würde mich gerne um ihre Unterbringung und Verpflegung bemühen. Ich bin sicher, dass die großzügigen Bürger von Jiuguo ihren Aufenthalt in unserer Stadt so angenehm wie nur möglich gestalten werden.
    Und nun zu guter Letzt: Ich lege meine neueste Erzählung Kochstunde bei. Bevor ich sie geschrieben habe, lieber, verehrter Meister, habe ich so gut wie alle Veröffentlichungen der so genannten «neorealistischen Schule» des Romans gelesen, das Wesentliche aus ihren Werken extrahiert und es meinem persönlichen Stil angepasst. Ich hoffe, Sie werden diese Erzählung an die Herausgeber der Volksliteratur weiterleiten, denn ich glaube fest daran, dass ich meine Arbeiten weiterhin dieser erlauchten Götterversammlung vorlegen sollte, die ihre Tage damit verbringt, von den Zinnen ihrer Jadepaläste aus den Himmel zu betrachten und der Mondgöttin zuzusehen, wenn sie sich die Haare kämmt. Eines Tages werde ich auch ihre harten Herzen rühren.
    Mit allen guten Wünschen für die erfolgreiche Weiterführung Ihrer literarischen Arbeit bin ich
     
    Ihr Schüler
    Li Yidou

III
     
    Kochstunde
     
    Bevor sie wahnsinnig wurde, war meine Schwiegermutter, auch wenn sie nicht mehr die Jüngste war, eine elegante Schönheit. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie sei jünger, hübscher und sexuell attraktiver als ihre Tochter, meine Ehefrau. Damals arbeitete meine Frau in der Feuilletonredaktion des Tagesanzeigers für Jiuguo, wo sie einige Exklusivinterviews veröffentlichte, die große Aufmerksamkeit erregten. Sie war dunkel und hager, ihr Haar war strohig und trocken, ihr Gesicht war rostbraun, und ihr Mund stank nach verfaultem Fisch. Meine Schwiegermutter dagegen war rundlich, ihre Haut war weiß und weich, ihr Haar war so schwarz, dass es ölig glänzte, und ihr Mund roch den ganzen Tag nach gegrilltem Fleisch. Der auffällige Unterschied zwischen meiner Frau und meiner Schwiegermutter kann bei ernsthaften Studien in den Kategorien des Klassenkampfes begriffen werden. Meine Schwiegermutter gleicht der wohl genährten Konkubine eines Großgrundbesitzers, während meine Frau aussieht wie die älteste Tochter eines alten, bitterarmen Kleinbauern. Kein Wunder, dass sie einander zutiefst hassten und seit drei Jahren kein Wort miteinander gesprochen hatten. Meine Frau übernachtete lieber im Freien auf dem Hof des Zeitungsgebäudes, als nach Hause zu kommen. Jedes Mal wenn ich meine Schwiegermutter besuchte, bekam meine Frau hysterische Anfälle und beschimpfte mich mit Ausdrücken, die sich nicht im Druck wiedergeben lassen, als hätte ich eine Prostituierte besucht und nicht ihre eigene Mutter.
    Zugegeben, damals war ich nicht frei von sexuellen Wunschvorstellungen, die mit der Schönheit meiner Schwiegermutter zusammenhingen. Aber diese bösen Gedanken waren mit schweren Stahlketten im tiefsten Grunde meiner Seele gefesselt und hatten keinerlei Chance, sich zu entwickeln und zu wachsen. Nur die Beschimpfungen meiner Frau waren das tosende Feuer, das diese Ketten schmelzen lassen konnte. Also sagte ich ihr ins Gesicht:
    «Falls ich eines Tages mit deiner Mutter schlafen sollte, wirst du daran schuld sein.»
    «Was?», fragte sie empört.
    «Hättest du mich nicht darauf hingewiesen, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass jemand mit seiner eigenen Schwiegermutter schlafen könnte», sagte ich giftig. «Das Einzige, das zwischen mir und deiner Mutter steht, ist der Altersunterschied. Wir sind keine Blutsverwandten. Und kürzlich hat deine eigene Zeitung einen interessanten Bericht über einen jungen Mann namens Jack in New York gebracht, der sich von seiner Frau scheiden ließ und seine Schwiegermutter heiratete.»
    Meine Frau stieß einen Schrei aus, verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und fiel in Ohnmacht. Eilig schüttete ich einen Eimer kaltes Wasser über sie aus und stach sie mit einem rostigen Eisennagel in die Stellen zwischen Nase und Oberlippe und zwischen Daumen und Zeigefinger. Nach einer halben Stunde kam sie allmählich wieder zu sich. Mit weit aufgerissenen Augen lag sie steif da wie ein Stück trockenes Holz im Schlamm. Das gebrochene Licht der Verzweiflung, das in ihrem Blick lag, erschütterte mich bis ins Mark. Die Tränen stiegen ihr in die Augen und flossen über ihre Ohren. In diesem Augenblick wollte ich nichts, als sie von ganzem Herzen um Entschuldigung zu bitten.
    Ich unterdrückte meinen Abscheu, rief sie zärtlich beim Namen, küsste ihren

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