Die Schnapsstadt
flehe dich an, bitte töte mich!»
Sie hob den Kopf und streckte mir einen Hals entgegen, der lang und dünn war wie der Hals eines gerupften Huhns. Auf ihrer rauen, grünlich violetten Haut prangten drei schwarze Warzen, und in ihren angeschwollenen Adern sah man das Blut klopfen. Sie kniete mit halb verdrehten Augen vor mir, ihre Lippen hingen herab, ihre Stirn war mit Schlamm verschmiert, durch den kleine Blutstropfen rollten, und ihr Haar war so verfilzt wie ein Elsternnest. Konnte man dieses Ding eine Frau nennen? Aber sie war meine Frau, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ihr Verhalten entsetzte mich. Auf den Schrecken folgte der Ekel. Was hätte ich tun sollen, Genossen? Sie verzog den Mund, und ihre Lippen sahen aus wie der Abdruck von Autoreifen. Ich hatte Angst, sie sei übergeschnappt.
«Liebe Frau», sagte ich, «das Sprichwort sagt: ‹Sind sie einmal ein Paar, sind die Gefühle zweier Menschen tiefer als der Ozean.› Wir sind seit vielen Jahren Mann und Frau. Wie könnte ich es übers Herz bringen, dich zu töten? Es wäre besser, ich schlachtete ein Huhn; dann könnten wir wenigstens Suppe kochen. Aber wenn ich dich töte, kriege ich höchstens blaue Bohnen zu essen. So dumm bin ich nicht.»
Sie legte eine Hand an den Hals und fragte leise:
«Wirst du mich wirklich nicht töten?»
«Nein und abermals nein.»
«Ich glaube, du solltest es tun», sagte sie und fuhr sich mit dem Finger über den Hals, als wäre er ein Messer schärfer als ein Windhauch. «Pssst – eine kleine Bewegung, meine Halsschlagader öffnet sich, und das helle, frische Blut spritzt wie ein Springbrunnen. Und danach», fuhr sie mit hinterhältigem Lächeln fort, «kannst du mit diesem alten, Menschen fressenden Ungeheuer schlafen.»
«Gottverdammte, elende, gequirlte Scheiße!», fluchte ich. Genossen, einem eleganten und gebildeten Gelehrten wie mir fällt es nicht leicht, sich so schmutzig auszudrücken. Sie war es, die mich dazu gebracht hatte. Ich habe mich so geschämt.
«Scheiß auf deine Mutter!», fluchte ich. «Warum sollte ich dich töten? Warum sollte wohl ausgerechnet ich dich töten? Du hast noch nie etwas für mich getan, und jetzt kommst du mir mit so was. Von mir aus kann dich töten, wer will, solange ich es nicht bin.»
Ärgerlich trat ich einen Schritt zurück. Vielleicht kann ich nicht mit dir fertig werden, dachte ich, aber wenigstens abhauen kann ich. Ich griff nach einer Flasche Hengst mit Roter Mähne und schüttete sie – gluck, gluck – die Kehle hinunter. Dabei vergaß ich keinen Augenblick, sie aus dem Augenwinkel zu beobachten. Ich sah, wie sie träge lächelnd aufstand und in die Küche ging. Mir blieb das Herz stehen. Ich hörte das Wasser aus dem Hahn fließen. Ich schlich auf Zehenspitzen hin und sah, wie sie den Kopf unter den Wasserhahn hielt. Sie hielt sich an dem schmierigen Spülbecken fest. Ihr Körper war in einem Winkel von neunzig Grad vorgebeugt, und ihr nach oben gereckter Hintern sah dürr und leblos aus. Der Hintern meiner Frau sieht aus wie zwei Scheiben Trockenfleisch, die dreißig Jahre lang geräuchert wurden. Ich würde diese zwei Scheiben Trockenfleisch niemals mit dem üppigen Gesäß meiner Schwiegermutter vergleichen. Aber als diese zwei Halbkugeln vor mein geistiges Auge traten, wurde mir klar, dass die Eifersucht meiner Frau nicht ganz unbegründet war. Hell, klar und offensichtlich kalt lief das Wasser über ihren Hinterkopf und fiel laut wie ein Wasserfall auf den Boden des Beckens. Ihr Haar verwandelte sich in geraspelte Palmenrinde, über der trübe Blasen standen. Sie schluchzte unter dem Wasserhahn und gab Geräusche von sich wie eine alte Henne, der ein Bissen im Hals stecken geblieben ist. Ich hatte Angst, sie könne sich erkälten. Einen kurzen Augenblick lang überkam mich so etwas wie Mitgefühl. Mir war, als hätte ich ein schweres Verbrechen begangen, als ich eine schwache, hagere Frau wie sie quälte. Ich ging zu ihr und berührte ihren Rücken. Er war sehr kalt.
«Das ist genug», sagte ich. «Quäl dich nicht so. Es ist sinnlos, Dinge zu tun, die unsere Freunde erzürnen und unseren Feinden Freude bereiten.»
Sie richtete sich eilig auf und starrte mich aus flammenden Augen an. Gute drei Sekunden lang sagte sie kein Wort. Ich erschrak so sehr, dass ich zurücksprang. Ich sah, wie sie das glänzende Messer, das sie gerade erst in der Eisenwarenhandlung gekauft hatte, aus der Schublade nahm, einen Halbkreis über ihrer Brust beschrieb, die
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