Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
Falten am Hals des Mädchens und der saure Geruch von ausländischem Tabak in ihrem Atem auf. Sie war ihm so nahe, dass sie fast über ihn gestolpert wäre. Er konzentrierte sich auf sie und beobachtete, wie im Gesicht des fremden Mädchens allmählich die Züge der Lastwagenfahrerin hervorbrachen wie eine Grille, die sich aus ihrem Kokon befreit. Aus einer Schusswunde zwischen den Augen tröpfelte rosenfarbenes Blut über die Nase und teilte ihren Mund in zwei gleiche Hälften. Von dort rann es über ihren Nabel und immer weiter herab, teilte ihren Körper mit einem sauberen Schnitt in zwei Hälften und presste ein gurgelndes Geräusch aus ihren Eingeweiden. Mit einem Schreckensschrei drehte der Ermittler sich um und rannte davon. Aber egal, wie schnell seine Füße ihn trugen, er kam aus dem Trödelmarkt nicht heraus. Schließlich kauerte er sich vor einem Trödler, der alte Handfeuerwaffen, verkaufte, auf den Boden, tat, als sei er ein Kunde, und inspizierte die verrosteten alten Pistolen, die vor ihm lagen. Er fühlte, dass das Mädchen, das in zwei Hälften gespalten war, hinter ihm stand und ihren Körper mit grünen Papierstreifen umhüllte. Sie arbeitete schnell. Zunächst trug sie cremefarbene Gummihandschuhe an den Händen, die durch die Luft wirbelten; aber bald waren die Hände nur noch verschwommene gelbe Schatten, die schnell unter feuchten grünen Papierstreifen von der Farbe und Konsistenz von Seetang verschwanden. Das Grün war ein so überwältigendes Grün, dass es eine mächtige Lebenskraft ausstrahlte. Und dann begannen die Papierstreifen, sich von selbst zu bewegen, und in Sekundenschnelle war sie in einen engen Kokon eingehüllt. Ein kalter Schauer fuhr ihm über den Rücken, aber er versuchte, so zu tun, als sei nichts geschehen. Er griff nach einem elegant gearbeiteten Revolver und versuchte, den rostigen Zylinder zu drehen. Er rührte sich nicht. Er fragte den Händler: Hast du alten Essig aus Shanxi? Der Händler verneinte. Er seufzte enttäuscht. Der Händler sagte: Du spielst dich auf wie ein Profi, aber in Wirklichkeit bist du ein Amateur. Ich habe keinen alten Essig aus Shanxi, aber ich habe koreanischen weißen Essig. Und der ist als Rostentferner hundertmal besser als das Zeug aus Shanxi. Er sah zu, wie der Händler mit einer zarten weißen Hand in sein Hemd griff und nach etwas suchte. Ding Gou'er konnte einen gelegentlichen Blick auf zwei kleine Glasflaschen werfen, die in einem rosa Spitzenbüstenhalter versteckt waren. Sie waren aus grünem, undurchsichtigem Milchglas, wie die Flaschen, in die viele bekannte ausländische Spirituosen abgefüllt werden. Das grüne Milchglas sah besonders teuer aus. Obgleich es offensichtlich Glasflaschen waren, sahen sie nicht so aus, und das war es, was sie so wertvoll machte. Er klammerte sich an die logische und grammatikalische Struktur dieses Satzes und gelangte zu der Parallelkonstruktion: Obgleich es offensichtlich ein echter Knabe war, der auf der Platte saß, sah er irgendwie nicht so aus, und das war es, was ihn so wertvoll machte. Schließlich zog die Hand eine der beiden Flaschen aus ihrem Versteck im Büstenhalter. Das Etikett war mit geheimnisvollen Schriftzeichen bedruckt. Er konnte kein Wort davon lesen, aber seine Eitelkeit machte sich Luft, und er behauptete keck: Das heißt entweder Wei-si-kei oder Ba-lan-tain , als ob es keine Fremdsprache gebe, die er nicht beherrschte. Das ist der koreanische weiße Essig, den du haben wolltest, antwortete der Händler. Ding nahm ihm die Flasche ab, warf einen Blick auf sein Gesicht und entdeckte einen Ausdruck genau wie den seines Vorgesetzten, als er ihm die Stange Zhonghua -Zigaretten zugeworfen hatte. Bei näherem Hinsehen waren sich die beiden Männer gar nicht so unähnlich. Der Händler lächelte und entblößte ein Paar Eckzähne, die ihn ein wenig infantil erscheinen ließen. Er öffnete die Flasche, deren Inhalt leicht schäumte. Wieso sieht dieser Essig aus wie Bier?, fragte er. Soll das heißen, dass Bier die einzige Flüssigkeit ist, die schäumt?, fragte der Händler. Darüber musste Ding eine Minute nachdenken. Krabben sind kein Bier, sagte er, aber sie haben Schaum vorm Mund, also hast du Recht, und ich habe mich geirrt. Als er ein wenig von der schäumenden Flüssigkeit über den Zylinder des Revolvers goss, drang ihm starker Alkoholgeruch in die Nase. In Schaumperlen gehüllt, gab der Revolver klickende Geräusche von sich wie eine große grüne Krabbe; und als er ihn

Weitere Kostenlose Bücher