Die Schnapsstadt
Augenwimpern der roten Mädchen kleben blieben, auf der verschwitzten Stirn des Parteisekretärs und des Bergwerksdirektors kleben blieben, an all diesen glitzernden Lichtstrahlen kleben blieben: Moleküle, die einst formlos gewesen waren und jetzt zuckend und sich windend Form annahmen …
Nach einiger Zeit hatte er das Gefühl, eine Hand mit vielen Fingern biete ihm ein Glas Rotwein an. Die letzten verbliebenen Reste von Bewusstsein, die den leeren Kokon seines Körpers bewohnten, rafften sich zu der gigantischen Anstrengung auf, die Scherben seines Selbst zu sammeln und den kreisenden Bewegungen einer Hand zu folgen, die den Blättern einer rosa Lotosblüte glich. Das Weinglas verschwamm wie eine unscharf retuschierte Fotografie in einem rosa Nebel, der sich über seine verhältnismäßig stabile, verhältnismäßig scharlachfarbene Umgebung ausbreitete. Das war kein Weinglas, das war die Sonne, wie sie am Morgen aufgeht, ein feuriger Ball voll kalter Schönheit, das Herz eines verschmähten Liebhabers. Bald sollte er erleben, dass ein Glas Bier die Gestalt des trüben braunen Vollmonds annahm, der einst am Himmel gestanden hatte und nun in den Speisesaal hinabgestürzt war: eine überreife Pampelmuse, ein flaumig gelber Ball, ein behaarter Fuchsgeist. Ding Gou'ers Bewusstsein hing unter der Decke und lächelte ihm zu. Die frische Luft der Klimaanlage durchbrach die Barrieren, die seinen Aufstieg behinderten. Allmählich kühlte sich das frei schwebende Bewusstsein ab, und es sprossen ihm Schmetterlingsflügel von unvergleichlicher Schönheit. Aus dem Körper befreit, der sein Gefängnis gewesen war, breitete es seine Flügel aus und schwebte durch den Speisesaal. Manchmal strich es leicht über die Seidenvorhänge – natürlich waren die Flügel des Bewusstseins zarter, weicher und heller als die Vorhangseide –, dann wieder glitt es durch das gebrochene Licht des Kronleuchters. Es streichelte die kirschroten Lippen und pfirsichroten Brustwarzen der rot uniformierten Mädchen und manche anderen, verborgenen, sensibleren Körperteile. Es hinterließ seine Spuren überall: auf den Teetassen, auf den Schnapsflaschen, in den Ritzen im Fußboden, zwischen Haarsträhnen, in den mikroskopisch kleinen Öffnungen von Zigarettenfiltern der Marke Zhonghua … Wie ein wildes Tier sein Revier absteckt, ließ es seine Spuren überall zurück. Das geflügelte Bewusstsein kannte keine Grenzen. Es war formlos und besaß doch Form. Es schlängelte sich fröhlich und frei durch die Perlenringe am Kronleuchter von Ring A zu Ring B und weiter von Ring B zu Ring C. Es flog, wohin es wollte, kreiste ungehindert im Raum, und als es des Spiels schließlich müde wurde, schlich es sich unter den Rock eines rot uniformierten Mädchens mit üppigen Formen und streichelte ihre Schenkel wie eine sanfte Brise. Das Mädchen bekam eine Gänsehaut, und ein schweres, dumpfes Gefühl löste die feuchte, ölige Glätte ab. Eilig flog es davon und schwebte mit geschlossenen Augen durch einen Wald, wo grüne Büsche und Sprossen sich mit leisem Knirschen an seinen Flügeln rieben. In immer neuer Form schwebte es über hohe Bäume hinweg und überquerte breite Flüsse. Neckisch strich es über ein kleines rotes Muttermal zwischen zwei straffen Brüsten und spielte mit einem Dutzend kleiner Schweißtropfen. Schließlich verkroch es sich in einem Nasenflügel und kitzelte die kleinen Härchen, die dort wuchsen.
Das Mädchen in der roten Uniform nieste laut und schleuderte etwas wie ein Projektil von sich, das den Kaktus auf der dritten Ebene des Esstischs traf und von ihm abprallte, als habe eine dornige Hand ihm einen Schlag versetzt. Ding Gou'er litt unter bohrendem Kopfweh, sein Magen drehte sich wie ein Wasserstrudel, und seine Haut juckte, als sei sie von Brennnesseln bedeckt. Das Projektil blieb auf seiner Kopfhaut liegen, ruhte sich aus, rang nach Atem und weinte leise. Ding Gou'ers Augen funktionierten wieder, und er sah, wie der Parteisekretär und der Bergwerksdirektor ihre Schalen erhoben, um einen neuen Trinkspruch auszubringen. Ihre Stimmen brachen sich an der Wand, wie Wellen sich an einer Felsenküste brechen, bevor sie wieder hinaus auf die See ziehen, oder wie ein Hirtenjunge auf einem Berggipfel nach seiner Herde ruft: Wa – wa – wa – huala – huala – huala –
Und noch einmal … dreißig Schälchen … auf Abteilungsleiter Jin … dreißig Schälchen … trinkt aus, trinkt aus, trinkt aus! … wer nicht mittrinkt, ist
Weitere Kostenlose Bücher