Die Schnapsstadt
Parteisekretär und der Bergwerksdirektor sprangen auf und stießen dabei mit den Knien schmerzhaft gegen die Tischkante. Ein Ärmel fegte ein Bierglas vom Tisch. Die gelbliche Flüssigkeit tropfte von der Tischdecke auf ein Hosenbein. Niemand kümmerte sich darum. Der Parteisekretär und der Bergwerksdirektor schoben ihre Stühle zurück und eilten von beiden Seiten des Tischs auf den Neuankömmling zu, um ihn zu begrüßen. Fröhliche Rufe erklangen, noch bevor das Bierglas auf dem Tisch aufschlug. «Abteilungsleiter Jin! Wie schön, dass Sie da sind!»
Das dröhnende Lachen dieses Mannes versetzte die Luft im Raum in Schwingungen. Die Wellen schlugen über dem schönen Schmetterling in Ding Gou'ers Kopf zusammen. Gegen seinen Willen stand er auf. Er lächelte, obwohl er einen ernsten Gesichtsausdruck hatte annehmen wollen. Ein lächelnder Ding Gou'er stand auf, um den Mann zu begrüßen, in dem er seinen Gegner ahnte.
Der Parteisekretär und der Bergwerksdirektor intonierten im Chor:
«Das ist der Stellvertretende Abteilungsleiter Jin Gangzuan, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im örtlichen Parteikomitee von Jiuguo, und das ist Sonderermittler Ding Gou'er von der Oberstaatsanwaltschaft.»
Jin Gangzuan faltete die Hände über dem Bauch zusammen und sagte lächelnd:
«Ich bitte um Entschuldigung für die Verspätung.»
Er streckte Ding Gou'er die Hand entgegen. Der nahm sie gegen seinen Willen. Dieser Kinder fressende Teufel sollte eiskalte Hände haben, dachte er. Warum ist seine Hand warm und weich? Er hörte, wie Jin Gangzuan höflich sagte:
«Willkommen! Ich habe viel Gutes über Sie gehört.»
Als alle wieder saßen, biss Ding Gou'er, fest entschlossen, nichts mehr zu trinken und bei klarem Verstand zu bleiben, die Zähne zusammen. Zeit, an die Arbeit zu gehen!, ermahnte er sich.
Jetzt saß er Schulter an Schulter neben Jin Gangzuan. Er war auf alles vorbereitet. Jin Gangzuan, o Jin Gangzuan! Vielleicht bist du eine Festung, die noch keiner erstürmt hat. Vielleicht bist du ein enger Vertrauter der Herrschenden. Vielleicht sind deine Wurzeln stark und tief. Vielleicht wirfst du deine Netze weit aus. Aber wenn ich dich erst einmal im Griff habe, sind deine Tage gezählt. Wenn mir Schlimmes bevorsteht, kann niemand auf Gutes hoffen.
Jin Gangzuan ergriff das Wort:
«Ich bin zu spät gekommen. Ich habe zur Strafe dreißig Schälchen verwirkt.»
Das waren die Worte, die Ding Gou'er als Letztes erwartet hätte. Er sah zu dem Parteisekretär – oder war es der Bergwerksdirektor? – hinüber und konnte ein wissendes Lächeln in seinem Gesicht ausmachen. Eine rot uniformierte Kellnerin brachte ein Tablett mit frischem Geschirr. Die Schnapsschälchen, die sie vor Jin Gangzuan auf den Tisch stellte, strahlten und funkelten. Eine zweite rot uniformierte Kellnerin brachte eine Flasche und füllte die Schälchen. Sie nickte und wippte mit dem Kopf wie ein Phönix beim Hochzeitstanz. Mit der Sicherheit jahrelanger Übung und Schulung füllte sie zuversichtlich und geschickt die Schälchen, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten. Die Luftperlen an der Oberfläche der ersten Schale waren noch nicht geborsten, als schon die letzte gefüllt war. Ein Beet voll exotischer Blumen war vor Jin Gangzuan erblüht. Ding Gou'er entfuhr ein bewundernder Seufzer. Die Geschicklichkeit der Kellnerin und die männliche Pose Jin Gangzuans erschienen ihm gleich bewundernswert. Ohne einen Diamanten kann man kein Porzellan schleifen, sagt das Sprichwort.
Jin Gangzuan, der Diamantbohrer, zog den Mantel aus, und eines der rot uniformierten Mädchen trug ihn fort.
«Genosse Ding, alter Knabe!», sagte er. «Was meinen Sie?
Sind diese dreißig Schälchen mit Mineralwasser oder mit klarem Schnaps gefüllt?»
Ding Gou'er zog Luft durch die Nase, aber sein Geruchssinn war betäubt.
«Wenn du den Geschmack einer Birne erkennen willst, musst du eine Birne essen. Wenn Sie wissen wollen, ob das hier echter Schnaps ist oder nicht, müssen Sie ihn selbst probieren. Nehmen Sie bitte beliebige drei von diesen Schälchen.»
Ding Gou'er wusste aus seinem Aktenstudium, dass Jin Gangzuan für seine Trinkfestigkeit berühmt war, aber noch hegte er Zweifel. Unter dem begeisterten Zuspruch der anderen Gäste wählte er drei Schälchen aus und prüfte ihren Inhalt mit der Zungenspitze. Die Flüssigkeit schmeckte süß und rauchig. Der Schnaps war echt.
«Genosse Ding, alter Knabe», sagte Jin Gangzuan, «diese drei sind für
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