Die Schnelligkeit der Schnecke
wieder auf. Um solche Reden zu schwingen, musste er sich bewegen. Umhergehen, gestikulieren, irgendetwas tun, aber auf jeden Fall sich bewegen. In der Zwischenzeit hatte Tiziana den Katalog zugeschlagen und die Kopfhörer von den Ohren genommen.
»Als ich vor zwei Tagen mit Fusco geredet habe, hat er selbst mir gesagt, dass sich auf dem Rechner keines der Programme befinde, die dazu dienen, diese Dinge zu tun. Und dass dieser Computer daher praktisch nutzlos sei. Vom üblichen Standpunkt her hatte er damit sogar recht. Aber von einem allgemeineren Standpunkt betrachtet eben nicht. Der Computer konnte immer noch dafür benutzt werden, seine primäre Rolle zu erfüllen. Also zum Rechnen.«
Die Alten nickten.
»Also, der Computer von Professor Asahara diente tatsächlich dazu, Berechnungen anzustellen. Und er hatte eine Besonderheit: Er trug vollkommen neuartige Speichermodule in sich. Diese Module verfügen über Kapazitäten von einer vollkommen anderen Größenordnung als derzeit üblich. Das war mit Sicherheit das, was Asahara meinte, als er halb im Scherz sagte, er habe etwas in seinem Computer, das Watanabe zerstören würde. Denn diese Speichermodule hätten auf bestimmte Arten von Berechnungen, wie die, die Watanabe offensichtlich anstellt, revolutionäre Auswirkungen. Bis hier alles klar?«
»Nein«, sagte Pilade. »Ich verstehe nicht, warum diese Speicher so furchtbar wichtig sein sollen.«
»Es ist eine Frage der Zeit«, erklärte Massimo. »Diese Berechnungen, von denen wir sprechen, können Wochen dauern oder auch Monate. Wenn du es schaffst, dieselbe Berechnung an einem Tag durchzuführen, könntest du sehr viel mehr machen. Dann wärst du im Vorteil. Deshalb forschen viele Leute daran, wie man diese Berechnungen schneller machen kann. Es gibt zwei Möglichkeiten: Die erste ist, den Algorhythmus zu beschleunigen, den Prozess, mit dem man arbeitet. Die zweite besteht darin, eine schnellere Maschine zu konstruieren. Watanabe gehörte zur ersten Schule. Ich bin kein Experte, aber soweit ich es verstanden habe, hätten diese Speichermodule die Berechnungen dermaßen beschleunigt, dass Watanabes Arbeit praktisch nutzlos geworden wäre. Jetzt klar?«
Die Köpfe der Alten wippten auf und ab. Massimo, der die ganze Zeit in der Bar umhergelaufen war, blieb stehen.
»Auf jeden Fall hatten die Computer etwas damit zu tun, Watanabe dagegen überhaupt nichts. Und während wir versuchten, herauszufinden, welche Rolle die Computer spielten, haben wir einen kolossalen Fehler begangen. Wir haben etwas als gegeben vorausgesetzt. Wisst ihr, was der Unterschied zwischen einem Literaten, einem Physiker und einem Mathematiker ist?«
»Dass die Mathematiker, wenn sie was erzählen sollen, stinklangweilig sind?«, wagte Aldo sich vor.
»Auch die Physiker. Und sogar manche Literaten, was das angeht. Nein, das ist ein alter Witz. Ein Literat, ein Physiker und ein Mathematiker reisen mit dem Zug durch Schottland, und irgendwann sehen sie auf einer Weide ein rotes Schaf. Der Literat sieht es und sagt: ›Seht euch das mal an. Interessant. In Schottland sind die Schafe rot.‹ Der Physiker schüttelt den Kopf und antwortet: ›Nein. In Schottland gibt es auch rote Schafe.‹ Der Mathematiker guckt sie mitleidig an und schließt: ›Es gibt in Schottland mindestens eine Weide, auf der ein Schaf existiert, das mindestens von einer Seite rot ist.‹ Das ist nur eine kleine Geschichte, aber sie soll zeigen, dass es aus der Perspektive des Mathematikers falsch ist, irgendetwas als gegeben vorauszusetzen, was man nicht sicher weiß, nur weil es absolut plausibel erscheint und mit dem übereinstimmt, was man sonst immer sieht. Im vorliegenden Fall, dass alle Schafe dieselbe Farbe haben. Es ist plausibel, ich habe keine Beweise dafür, aber so ist es am wahrscheinlichsten und deshalb ist es wahr. Im wirklichen Leben denken wir oft so. In der Mathematik oder, allgemeiner, in jeder Art von Wissenschaft wird diese Art zu denken vermieden.«
Massimo blieb kurz stehen, um Luft zu holen. Madonna, in was für einem Zustand ich bin. Ich krieg schon Atemnot, wenn ich nur in der Bar auf und ab gehe. Ab morgen jeden Tag ins Schwimmbad und keine Ausreden mehr. Ich bin siebenunddreißig, ich sehe aus wie fünfundvierzig, und es gibt Tage, an denen fühle ich mich wie sechsundachtzig.
Er seufzte und fuhr fort: »Wir hingegen haben genau diesen Fehler gemacht. Wir haben es als gegeben vorausgesetzt, dass im Computer etwas Geschriebenes sei,
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