Die Schnelligkeit der Schnecke
eine Datei oder etwas anderes, aber nichts, was sich rein physisch im Computer befand. Das ist ein bisschen wie beim Spiel mit drei Karten: Wir sehen in die richtige Richtung, aber wir konzentrieren uns auf ein Detail, von dem wir voraussetzen, dass es wichtig ist, also die Informationen, die der Computer enthält, und achten dabei nicht auf den Kontext. Das, was es dem Ganzen überhaupt ermöglicht zu funktionieren. In diesem Fall den Computer selbst.«
Massimo trat an die Glastür und wiederholte, während er nach draußen blickte: »Der Computer selbst, der allerdings nicht funktionierte. Aber warum funktionierte er nicht? Und vor allem, hatte er jemals funktioniert? Hier hatte ich wirklich ein Brett vorm Kopf. Ich wusste sehr gut, dass der Computer noch funktioniert hatte, als Asahara in Italien eingetroffen war. Ich wusste es, weil Carlo in der Universität die erste Datei geöffnet und vorgelesen hatte, wann sie zum letzten Mal geöffnet und verändert worden war. Am Sonntag, den 20. Mai um dreiundzwanzig Uhr. Also als Asahara in seinem Zimmer im Santa Bona war, vermutlich, um seinen geliebten Gedichten noch einen letzten Schliff zu verleihen, bevor er zu Bett ging und endlich mal im Liegen einschlief.«
Massimo drehte sich um, nahm die Hände aus den Taschen und begab sich hinter den Tresen.
»Also, wir haben einen Computer, der vermutlich dazu dient, Berechnungen durchzuführen, der am Sonntagabend noch funktioniert und am Dienstagmorgen nicht mehr. Was hat sich zwischen Sonntagnacht und Dienstagmorgen verändert? Eine einzige, einfache Sache, die man leicht aus- und wieder einbauen kann. Und das sind die Speichermodule.«
Massimo kam wieder hinter dem Tresen hervor, stellte sich davor, die Arme darauf gestützt, und fuhr fort: »Praktisch lief es so: Die Firma, die diese Speichermodule entwickelt hat, hat sie Asahara anvertraut, damit er sie an Berechnungen zur Moleküldynamik testen sollte. Dafür reichte ihm ein einfaches Programm auf seinem Laptop, das aber enorme Speicherkapazitäten in Anspruch nahm. Wenn ich noch einmal darüber nachdenke, dann war ich auch hier zu blöd, um das gleich zu erkennen. Solche einfachen Programme verwendet man normalerweise für Tests, um zu sehen, ob alles funktioniert. Kubo war von einem anderen Unternehmen kontaktiert worden, das Zugriff auf diese Speichermodule bekommen wollte, um zu sehen, ob er die Technologie durchschauen könnte. Sie haben ihm eine phantastische Stelle versprochen, wenn es ihm gelingen würde, diese Module in irgendeiner Weise zu beschaffen.«
»Ha, anstatt ihm direkt die Scheinchen zu geben, haben die den Typen bestochen, indem sie ihm gesagt haben, dass er für sie arbeiten darf?«, fragte Ampelio. »Sehr seltsam, diese Japaner.«
»Kommt darauf an, wie man es sieht. Aber lassen wir das. Kubo kam dann auf die Idee, Asahara das Tavor zu geben, damit er sich etwas unwohl fühlte. Nichts Schlimmes, nur eine leichte Sinneseintrübung, sodass man ihn davon überzeugen konnte, sich hinzulegen, einen Arzt zu rufen oder ihn irgendwie sonst für eine halbe Stunde abzulenken. Als Asahara in die Notaufnahme gebracht wurde, hat Kubo das genutzt, um an den Computer zu gehen. Aber den ganzen Computer mitzunehmen war riskant. Dazu kam, dass am selben Tag bereits ein Computer gestohlen worden war, und Kubo wollte sich nicht mit einem Laptop sehen lassen, der ihm nicht gehörte. Aber in einem Computer, auch in einem Laptop befinden sich Teile, die man sehr leicht aus- und wieder einbauen kann. Dazu zählen auch die Speichermodule. Daher hatte Kubo eine geniale Idee: Er hat die Speichermodule aus Asaharas Computer herausgenommen und durch die aus seinem eigenen Rechner ersetzt. Allerdings konnte so jetzt keiner der beiden Rechner funktionieren, weil sie beide einen Speicher hatten, der nicht zu ihnen passte.«
Pause. Massimo goss sich etwas Eistee aus der Karaffe ein und trank hastig einen Schluck.
»Und das war es, was ihn reingeritten hat. Neulich, als ich zum Internet-Point gegangen bin, habe ich Kubo an einem der Computer sitzen gesehen. Da war mir schon klar, dass etwas nicht stimmte, weil ich wusste, dass Kubo einen eigenen Laptop hatte. Das hatte er bei der ersten Vernehmung gesagt. Und ich wusste, dass es im Santa Bona Internet gibt. Also, wenn du einen Computer hast und der Ort, an dem du übernachtest, Netz hat, warum sitzt du dann in einem Internetcafé, um deine Post zu lesen? Es gibt nur eine Antwort: weil dein Computer nicht funktioniert.
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