Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
über den Rücken lief, wenn er an den zweiten Teil dachte. Auf den Beginn von Phase zwei würden sie im Hotel warten. Zu den Sicherheitsmaßnahmen der Operation gehörte es, keine Sekunde länger als nötig mit den Geräten unterwegs zu sein.
57
»Ich kaufe euch ein Handy ab«, sagte Riku zu den jungen Leuten, die um ihn herumstanden. Er hielt die SIM-Karte aus seinem tropfnassen Telefon in der Hand. Leos Entführer konnten im Moment keinen Kontakt zu ihm aufnehmen, und er hatte ihre Nummer nicht.
Keiner antwortete ihm. Aus den Lautsprechern kam stampfende Musik. Die Fassade des modernen, kastenförmigen Ferienhauses, das auf dem Felsen stand, war von oben bis unten dunkel verglast. Davor flackerte ein riesiges Feuer.
Riku öffnete sein Portemonnaie. »Schnell. Ich kann zahlen.« Er zog einen feuchten Fünfzigeuroschein heraus.
»Du kriegst mein Nokia für einen Hunderter«, erklärte einer der Jungen und trank die Bierdose, die er in der Hand hielt, aus.
»Ich brauche auch für meine Freunde drüben auf der Halbinsel ein Telefon.« Riku sprach hastig und atemlos. »Wir haben eine bescheuerte Wette abgeschlossen, und ihre Handys sind auch nass geworden. Ich zahle hundert Euro für zwei Handys, und ihr bekommt einen Hunderter dazu, wenn ihr ihnen mit dem Boot das zweite Handy samt SIM-Karte bringt.«
Die Jungen sahen einander an. »Ich hab eine Prepaid-Karte, auf der ist aber nicht mehr viel drauf …«, nuschelte einer von ihnen.
»Meine Kumpels geben euch noch eine Kiste Bier dazu«, lockte Riku und streckte die Hand mit den feuchten Scheinen aus. »Und hier sind noch fünfzig für deine Turnschuhe«, sagteer und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Sportschuhe des Jungen.
Sobald er die Schuhe anhatte, setzte er seine SIM-Karte in das Handy ein. Es schien zu funktionieren.
Die Jungen machten sich mit dem Boot auf den Weg nach Huutoniemi.
Riku deutete auf den Parkplatz hinter dem Ferienhaus. »Könnte mich jemand von euch in die Zivilisation zurückbringen?«, fragte er.
»Willst du, dass wir besoffen Auto fahren?«
»Ich kann Sie fahren«, sagte da eine helle Stimme.
Riku drehte sich um. Es war das dunkelhaarige Mädchen, das vorhin seine Freunde aufgefordert hatte, ihn ins Boot zu ziehen. Sie schien als Einzige nüchtern zu sein.
»Ist es schlimm?«, rief Ingenieur Kari Siekkinen, während er auf die Kinder zurannte, die sich auf dem Bürgersteig versammelt hatten. Auch einige Erwachsene waren darunter. Alle hatten ernste Mienen. Zwei Autos standen am Straßenrand, auf dem angrenzenden Rasen lagen Fahrräder.
Siekkinen schob sich durch die Menschenansammlung und sah den Jungen in weißem T-Shirt und Jeans regungslos neben der Skating-Rampe auf dem Asphalt liegen. Sofort erkannte er das kreidebleiche Gesicht seines dreizehnjährigen Sohnes Paavo. Vor wenigen Minuten hatte sein Freund Antero angerufen und völlig aufgelöst gestammelt, dass Paavo gestürzt sei und sich den Kopf aufgeschlagen hätte. »Ihr hattet doch Helme auf?«, hatte Siekkinen sofort gefragt. Antero hatte vor Schluchzen nicht mehr antworten können.
Siekkinen ging neben seinem Jungen in die Hocke und sah die Frau an, die über Paavo gebeugt am Boden kniete und vorsichtig seinen Nacken abtastete.
»… da ist sicher nichts kaputt.«
Ihr ernster Gesichtsausdruck sagte jedoch etwas anderes. Siestand auf und sah sich um. »Trotzdem wäre es am besten, einen Krankenwagen zu rufen.«
Siekkinen tastete nach seinem Telefon.
»Der ist schon gerufen worden«, sagte jemand.
Wie gelähmt starrte Siekkinen auf seinen Sohn. Heute hatte er einen Tag mit ihm verbringen wollen. Die beruflichen Sorgen der letzten Wochen hatten sehr an seinen Kräften gezehrt. Obwohl er über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in Olkiluoto 1 und 2 verfügte, war die Last der Verantwortung für die Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerkstyps riesig. Er hatte einen freien Nachmittag zu Hause mehr als nötig. Dem hatte nun aber Anteros Anruf ein jähes Ende gesetzt.
Paavo müsste längst wieder zu sich gekommen sein, wenn er durch den Aufprall lediglich bewusstlos geworden wäre. Vorsichtig hielt Siekkinen die Hand seines Sohnes und spürte, wie die Blicke der Gaffer seine Nerven zusätzlich strapazierten.
»Hier gibt es nichts zu sehen«, zischte er. »Geht nach Hause.«
Widerstrebend zogen sich die Kinder und Jugendlichen zurück. Da ertönte eine Sirene, das Signal kam näher, und der Krankenwagen bog mit Blaulicht um die Ecke und hielt auf dem Bürgersteig
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