Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Renault betrug zwanzig Meter. Der Wagen stand auf der Grenze zwischen dem Weg und dem mitGras bewachsenen Ufergelände, das sich daran anschloss. Drei Meter davor endete der Wald.
Wäre nur ein Mann im Auto gewesen, hätte Sebastian nicht gezögert, denn er hatte den Überraschungsvorteil auf seiner Seite. Zwei Männer aber bedeuteten eine echte Herausforderung – die er in dieser Situation aber annehmen musste.
Er näherte sich dem Fahrzeug, äußerst langsam und beherrscht, obwohl ihn jeder Muskel in seinem Körper zum Sturmangriff aufrief.
66
Riku wartete hinter einer der dicken Säulen oberhalb der Treppe des Parlamentsgebäudes, den Blick auf die Straße geheftet. Der Verkehr auf der Mannerheimintie floss gleichmäßig dahin. Auf der anderen Straßenseite standen das Museum Kiasma, das Medienhaus und die Konzerthalle. Auf der Treppe zum Parlament saßen einige Touristen und aßen Proviant aus ihren Rucksäcken. Ihre Kameras lagen neben ihnen auf den Steinstufen.
Jeden Augenblick würden seine Kollegen angefahren kommen, aber Riku war inzwischen nicht mehr so hoffnungsvoll wie zuvor. Wenn er genau darüber nachdachte, würden die Kollegen wohl kaum auf seine Bitten eingehen oder sich seine Vorschläge auch nur anhören.
Er sah auf die Uhr. Seit dem Telefonat mit Feliks waren acht Minuten vergangen.
Ein starker, warmer Windstoß fuhr ihm ins Gesicht. Irgendwo grollte dumpf ein Gewitter.
Vor der Säule schoss ein Tourist ein Foto, und in der Ferne knatterte ein Hubschrauber. Riku schaute über die Schulter ins Foyer. Durch die Scheibe erkannte er kurz ein Gesicht, das aber sogleich verschwand. Der Pförtner behielt ihn weiterhin im Auge.
Riku umklammerte die Waffe unter seiner Jacke immer fester und stellte sich mit dem Rücken zur Mauer. Jedenfalls würde ihn niemand von hinten überraschen.
Sein Handy klingelte. Rasch griff er danach, in der Befürchtung,Feliks könnte es im letzten Moment mit faulen Tricks probieren.
Es war Elina.
»Nicht jetzt«, sagte Riku ungeduldig.
»Das Staatsarchiv in Berlin hat angerufen. Friedrich, ein Bekannter von mir, hat etwas über den Bunker in Bärenstetten gefunden, und zwar in einem interessanten Zusammenhang.«
Rikus Blick glitt über den Strom der Fahrzeuge auf der Mannerheimintie, aus dem sich gerade ein Taxi löste und zum Parlament abbog, zu dem Kurzzeitparkplatz unterhalb der Treppe.
»Gemäß der Doktrin der ›vorgeschobenen Verteidigung‹ lagerte die Sowjetunion in der DDR auch nicht-konventionelle Waffen, unter anderem chemische und biologische, die für Sabotageakte bestimmt waren, aber auch taktische Kernladungen für den Gebrauch durch Sondereinheiten … Hast du gehört?«
»Sprich weiter, schnell!«
Aus dem Taxi stieg eine Frau im Kostüm und steuerte die linken Eingangstüren oberhalb der Treppen an.
»Zumindest die Bunker in Briesendorf, Dissenberg und Borknitz wurden als Sonderdepots benutzt. Könnte es sein, dass im Bärenstettener Bunker Virus- und Bakterienstämme für Sabotagezwecke gelagert wurden? In dem Institut, in dem Olga Rybkina tätig war, wurde auch auf dem Sektor chemische und biologische Waffen geforscht. Die Stasi setzte bei einigen ihrer Mordoperationen Nervengift und Bakterienstämme ein, die sie vom KGB bekommen hatte. Und da Frey Offizier in der Sabotageabteilung war …«
Nun fuhr ein olivgrüner Range Rover vor dem Parlamentsgebäude vor. Rikus Pulsschlag beschleunigte sich.
»Wir reden später weiter, ich muss jetzt los«, sagte Riku hektisch und beendete die Verbindung.
Der Geländewagen hielt am Fuß der Treppe an. Riku ließ ihn nicht aus den Augen. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt. Die hintere Tür auf der Beifahrerseite wurde geöffnet,und ein Mann stieg aus, der gleich darauf einem kleinen Jungen aus dem Wagen half.
Leo .
Riku schossen Tränen in die Augen, das Gefühl der Erleichterung zog ihm fast den Boden unter den Füßen weg. Der Mann hielt den Jungen fest an seiner Seite. Riku konnte Leos tapferes, ernstes Gesicht sehen.
Riku sah sich gründlich nach allen Seiten um, dann trat er einen Schritt vor.
Sebastian, der sich im Schutz des Waldes lautlos vorwärtsgeschlichen hatte, hielt hinter den Fichten, die unmittelbar am Wegrand wuchsen, an. Der rauchende Mann stand mit dem Rücken zu ihm nur drei Meter entfernt. Bis zum Auto war es noch einmal so weit.
Würde sich Richter im falschen Moment umdrehen oder in den Rückspiegel schauen, wäre das Spiel verloren.
Vorsichtig schob Sebastian
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