Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
beobachtete den Russen, der mit Leo auf dem Arm langsam die Treppe heraufkam. Als die beiden nur noch zehn Meter entfernt waren, sagte er: »Setzen Sie den Jungen ab und lassen Sie ihn ins Gebäude gehen. Dann folge ich Ihnen zum Wagen.«
Der Mann ließ Leo vom Arm, und in diesem Moment schwang die Tür abrupt auf.
Riku erkannte sofort, wer in der Türöffnung stand: Markku Jalava, im Anzug und mit vorgehaltener Waffe.
»Tanner«, brüllte Jalava und richtete die Waffe auf Riku. »Hände in den Nacken, ganz ruhig!«
»Der Typ ist Polizist und weiß nichts von Leo und all dem anderen«, rief Riku Feliks auf Russisch zu.
»Tanner, das Arschloch, spielt mit seinen Leuten sein eigenes Spiel«, rief Jalava hinter sich. »Leg jetzt endlich die Hände in den Nacken, verdammt, oder ich schieße!«
Riku schaute Feliks an und sagte auf Russisch: »Lassen Sie den Jungen, wo er ist, dann komme ich sofort mit Ihnen.«
Feliks hielt die Hand des erschrockenen Jungen fest umklammert und blickte auf den Mann, der brüllend die Waffe auf Tanner richtete.
Blitzschnell versuchte er zu entscheiden, ob das Ganze nur eine Inszenierung war, eine Falle. Nein, Tanners Panik war echt. Aber die Situation geriet trotzdem außer Kontrolle: Wegen des Polizisten konnte Vlad nicht mehr auf Tanner schießen.
Feliks wusste, dass er in Sicherheit war, solange er den Jungen bei sich hatte. Er musste versuchen, zurück in den Wagen zu kommen. Gerade wollte er Tanner ein Zeichen geben, ihm zu folgen, da hörte er Vlads ruhige Stimme im Kopfhörer: »Sektor frei, Tanner im Visier.«
Feliks zögerte keine Sekunde. »Schieß!«
Der Schuss ertönte fast noch bevor er seinen kurzen Befehl ausgesprochen hatte. Aber Tanner blieb stehen. Sein Gesichtsausdruck und seine Blickrichtung veranlassten Feliks jedoch, auch dorthin zu schauen, wo Vlad Posten bezogen hatte.
Vlad lag zwanzig Meter weiter neben einer Säule, die Pistole mit Schalldämpfer war ihm aus der Hand gefallen und zwei Stufen tiefer gerutscht. Einer der Polizisten hatte ihn bemerkt.
»Du kommst jetzt mit in den Wagen«, rief Feliks Tanner zu. Alles war im Begriff, zum Teufel zu gehen.
Da spürte Feliks einen schmerzhaften Biss im Handrücken. Die Überraschung war so vollkommen, dass sich der Junge losreißen konnte und schon mehrere Meter gerannt war, bis sich Feliks in Bewegung setzte.
»Leo, da rein!«, rief Riku. Der Junge flitzte durch die Tür, die jemand von innen aufhielt, Feliks stürzte ihm hinterher.
Riku rannte ebenfalls los.
»Halt!«, brüllte Jalava.
Riku blieb stehen und starrte auf das verzerrte Gesicht seines Vorgesetzten, der die Waffe auf ihn richtete.
»Lass die Waffe fallen, oder ich erschieße dich.«
Riku stellte fest, dass sie nur mehr zu zweit auf der Treppe standen. Die Leiche des Russen lag dreißig Meter entfernt neben einer Säule.
»Markku, ich bin kein Verräter, jemand anders gibt Informationen weiter … Wir können das alles später klären, jetzt muss mein Junge in Sicherheit gebracht werden …«
Kivelä erschien in der Tür. Hinter ihm stand Feliks im Foyer.Er hatte den strampelnden Leo wieder auf dem Arm und richtete die Waffe auf ihn.
Die Hände im Nacken verschränkt ging Riku auf die Tür zu.
»Bleib, wo du bist, verdammt!«, schrie Jalava mit wutverzerrter Stimme.
Kivelä sah ihn mit geweiteten Augen an. »Jalava, beruhige dich. Gib mir deine Pistole. Du kannst nicht auf einen Unbewaffneten schießen. Das wäre eine öffentliche Hinrichtung. Mord. Und du hättest sogar ein Motiv …«
»Was soll das heißen?«, brüllte Jalava, der eindeutig die Kontrolle über sich verloren hatte.
Riku ging an Kivelä vorbei durch die Tür. Er hielt noch immer die Arme im Nacken verschränkt, während er auf Feliks und Leo zuging.
Der Pförtner hatte das Radio laufen. Plötzlich brach die Musik ab, und eine Stimme sagte: »Dies ist eine Notfallmeldung. Ich wiederhole: Dies ist eine Notfallmeldung. Wegen eines schweren Unfalls im Atomkraftwerk Olkiluoto werden die Bewohner des Bereichs Rauma–Eurajoki–Luvia aufgefordert, sich unverzüglich in die innersten Räume ihrer Häuser zu begeben und Türen, Fenster und Belüftungskanäle zu schließen. Es besteht die Gefahr einer radioaktiven Verstrahlung …«
69
Riku las Feliks am Gesicht ab, dass dieser extrem aufmerksam die Nachricht aus dem Radio verfolgte. Die Notfallmeldung war schockierend, aber was hatte sie für Feliks in einer Situation zu bedeuten, in der er eine Geisel vor sich hielt,
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