Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Rand der Innenstadt von Eurajoki im Hinterhof eines flachen Mietshauses stand. Nach dem Unfall auf der Wendeltreppe war er im Rettungswagen ins Krankenhaus von Rauma gebracht worden, wo man festgestellt hatte, dass der Unterarm gebrochen war. Didier wurde bis zum Ende seines Arbeitsvertrags krankgeschrieben und würde seinen Auftrag nicht zu Ende führen können.
»Hast du den BMW da gesehen?«, fragte er und machte eine Kopfbewegung zum Fenster hin.
Sein polnischer Kollege Henryk Dombrowski schaute in die entsprechende Richtung. Er hatte sich den Wohnwagen ein Jahr zuvor angeschafft und vor dem Haus abgestellt, in dem seine finnische Freundin wohnte.
»Würde Saara so einer nicht gefallen?«
Henryk schmunzelte.
»Ich habe mir daheim in Frankreich einen Dreiundneunziger Ferrari reservieren lassen«, log Didier gelassen.
Henryk sah ihn verblüfft an.
»Das sind die Summen, um die es hier geht. Wir spielen nicht um Kleingeld.«
»Wie ist das möglich?«, wunderte sich Henryk. »Bei so einem kleinen Job?«
»Für uns ist das ein kleiner Job. Aber überleg mal, was für Summen im Spiel sind, wenn ein Atomkraftwerk gebaut wird. Ein Unternehmen wie Areva hat einen Umsatz von zwanzigMilliarden Euro. Und die Konkurrenten wollen alles über die Technologie ihrer Mitbewerber wissen.«
Henryk nickte nachdenklich. Er war wesentlich empfänglicher, als Didier vermutet hatte.
»Zu den wichtigsten Trümpfen eines Atomkonzerns gehören die Sicherheitsmaßnahmen. Das digitale Sicherungssystem, das Areva in Olkiluoto anwendet, ist eines ihrer wichtigsten Betriebsgeheimnisse. Erfährt ein Konkurrent, wie es funktioniert, kann das für ihn Millionen wert sein.«
Didier hatte mit Henryk unter vier Augen und vertraulich reden wollen. Der Wohnwagen war der richtige Ort, um ihm den Vorschlag zu machen. Richter hatte seinen Plan akzeptiert. Natürlich bestand das Risiko, dass Henryk ablehnte, aber Didier hielt es für relativ gering.
»Du musst lediglich zwei drahtlose Registriergeräte in die Halle mitnehmen, und anschließend ändert sich dein ganzes Leben, Henryk. Dann bekommst du das Haus, das Auto und die Frau deiner Träume.«
Henryk nickte noch immer, und kurz blitzte es in seinen Augen auf. »Industriespionage ist ein Verbrechen. Dafür kann man ins Gefängnis kommen.«
»Aber nur, wenn man erwischt wird. Und das wird nicht passieren.«
Henryk seufzte. »Und das Geld würde ich in bar bekommen?«
»Die erste Rate hier und jetzt. Fünfundzwanzigtausend Euro in Fünfhunderteuroscheinen.«
Auf Henryks Gesicht machte sich ein verdutztes Lächeln breit.
Als Didier den Umschlag mit dem Geld aus der Innentasche seiner Jacke zog, berührte er den mit Klebestreifen an der Brust befestigten Sender. Er wünschte, Richter könnte auch das begeisterte Gesicht des Polen sehen und nicht nur dessen Stimme hören.Nicht weit entfernt saß Peter Richter auf dem Parkplatz eines Supermarktes im Auto und blätterte im Boulevardblatt Ilta-Sanomat . Dabei hörte er dem Gespräch zu, das per Kopfhörer übertragen wurde, und strich sich zufrieden über den Schnurrbart.
Didier hatte bei der Rekrutierung alle Anweisungen befolgt, dennoch war er nun erleichtert, dass es funktioniert hatte. Menschen waren Individuen, es gab keine Gewissheit darüber, wie ein solcher Vorschlag aufgenommen wurde.
Richter hatte in seinen Stasi-Jahren selbst Dutzende von Anwerbungen vorgenommen, und nirgendwo war das so reibungslos vonstattengegangen wie in Helsinki. Die finnischen Politiker hatten sich ihm geradezu aufgedrängt. Zwar hatte sich der KGB um die wichtigeren Politiker und Beamten gekümmert, aber für die HVA der Stasi waren noch genügend junge, aufstrebende Talente übrig geblieben, die mit allem Eifer Informationen weitergaben.
»Die genauen Anweisungen teilen wir dir später mit«, sagte Didiers Stimme im Kopfhörer.
»Wer bezahlt das eigentlich? Die Chinesen?«, fragte der Pole.
»Das weiß ich nicht. Um die konkrete Abwicklung kümmert sich ein Deutscher. Das sind Dinge für große Jungs. Uns soll das Geld genügen. Hauptsache, du behältst alles für dich. Und kaufst nicht gleich etwas Teures, sondern gibst das Geld nach und nach aus.«
Richter hörte, dass Didier offenbar aufgestanden war und sich anschickte, den Wohnwagen zu verlassen. Er faltete die Zeitung zusammen.
Die Abgeordnete Kirsti Laaksonen verließ den Anbau des Parlamentsgebäudes und ging zum Taxistand. Sie bereitete sich nach dem Sommerurlaub auf die Sitzungsperiode vor
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