Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
wollte nur Gutes von ihm denken – und sie wollte ihm helfen.
Aber wenn sie dadurch einen Lügner und Verbrecher schützte?
Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie an Rikus Handy auf Markkus Tisch dachte. Zumindest theoretisch war es möglich, dass die Experten von der Technik noch Daten würdenrekonstruieren können. Mira wagte es nicht, sich Markkus Reaktion vorzustellen, wenn ans Tageslicht käme, wie viele SMS und Telefonate es zwischen ihr und Riku gegeben hatte … Markku würde daraus seine eigenen, voreiligen Schlussfolgerungen ziehen.
Der Mann hatte eine starke und beängstigend dunkle Seite. Und er war maßlos misstrauisch. Mit der Zeit hatte Mira gemerkt, dass er an ihrer Handtasche gewesen war, dann an ihren Manteltaschen und ihrem Handy. Schließlich hatte er ihr aufgelauert und hatte sie mit Verdächtigungen und Unterstellungen konfrontiert. Es folgten endlose nächtliche Verhöre und unkontrollierte Wutausbrüche. Mira hatte in der Tat Angst vor Markku. Aber bis jetzt hatte sie mit niemandem über seine krankhafte Eifersucht reden können. Sie riss sich aus ihren Gedanken und öffnete die Wagentür. Nachdem sie ausgestiegen war, sah sie, dass sie bereits von einer attraktiven Frau an der Haustür erwartet wurde.
Die Frau stellte sich als Katja Nyman vor und bat Mira herein. Mira konnte einen leichten russischen Akzent heraushören. In dem schlicht und elegant eingerichteten Wohnzimmer bot sie Mira einen Platz auf der Couch an.
Katja Nyman sah angespannt aus, und ihre Augen waren rot, als hätte sie geweint. Neugierig musterte Mira Rikus Exfrau. Vor Jahren hatte er sich also in diese leicht südländisch aussehende Frau verliebt.
»Frau Nyman, können Sie sich vorstellen, warum Ihr Exmann Ihren Sohn aus dem Kindergarten mitgenommen hat?«
»Ich begreife das nicht. Er hat sich in letzter Zeit so seltsam benommen. Ist am Flughafen aufgetaucht und hat einen Aufstand gemacht, als wir von einem verlängerten Wochenende zurückkamen.«
»Haben Sie mit Riku Tanner wegen des Besuchsrechts und des Sorgerechts Probleme gehabt? Glauben Sie, sein Verhalten hat damit zu tun?«
»Das ist eine Kindesentführung. Und jetzt wird ihm das Sorgerecht für Leo ganz entzogen, nicht wahr? Wie kann er nur so dumm sein?«
»Würden Sie mir ein Foto Ihres Sohnes zeigen?«
Katja reichte Mira ein Bild. Der Junge sah Riku sehr ähnlich.
»Wie gut kennen Sie meinen Exmann?«, wollte Katja Nyman auf einmal wissen.
Nur mit Mühe konnte Mira ihren Schreck verbergen.
»Hat er gerade einen stressigen Fall?«, fragte die Frau weiter.
»Das kann ich nicht sagen …«
»Am Flughafen hat er etwas von einer Ausnahmesituation geredet. Was hat er damit gemeint?«
»Sie verstehen sicher, dass ich solche Dinge nicht kommentieren kann.«
»Ich frage mich nur, ob das alles irgendwie mit seiner Arbeit zu tun haben könnte. Ich habe Zeit gehabt, nachzudenken und mich vielleicht auch ein bisschen zu beruhigen …«
»Sie meinen, er könnte befürchten, dass sich irgendjemand an ihm rächen will und daher dem Jungen schaden könnte?«
»So ist das doch im Leben eines Polizisten, der gegen das organisierte Verbrechen ermittelt. Ständige Bedrohung. Einem Kollegen von Riku wurde eine Handgranate in den Vorgarten geworfen, die explodiert wäre, hätte der Mann nicht geistesgegenwärtig gehandelt. Und bei uns – beziehungsweise bei Riku – gab es im Frühling einen seltsamen Einbruch. Es wurde nichts gestohlen, aber alles war durchwühlt. Für ein Kind kann es doch nicht gut sein, in einem solchen Umfeld zu leben?«
»Hat Riku je von Drohungen gesprochen?«
»Nein. Er wollte uns vor der finsteren Welt beschützen. Außerdem ist er durch und durch Profi, und so einer spricht nicht mit Unbeteiligten über seine Arbeit. Auch nicht mit seiner Frau.«
»Wenn wir mal davon ausgehen, dass Riku versucht, Leo vor Kriminellen zu beschützen, wo bringt er ihn dann hin?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wahrscheinlich zu einem Freund. Ich habe einige angerufen, aber sie behaupten, sie wüssten von nichts. Das gilt auch für Leena, Rikus Mutter.«
Mira stand auf und gab Katja Nyman ihre Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas hören. Oder wenn Ihnen etwas einfällt, egal was.«
Über dem Südhafen von Helsinki schrien die Möwen. Riku stand mit anderen Passagieren in der Warteschlange. Er hatte die Situation mehrmals überdacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es nur eine Möglichkeit gab: Die Angelegenheit musste mit
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