Die schöne Ärztin
und huldigten der Madonna und trugen unter dem Sonntagsrock das Mordgewehr mit dem abgesägten Lauf.
»Wie soll ich dir helfen, Luigi?« fragte Pater Wegerich, sich seiner Ohnmacht bewußt.
»Holen Sie mich hier raus, padre. Lassen Sie mich wegschaffen. Irgendwohin … nur weg aus Buschhausen. Sprechen Sie mit dem Komitee.«
»Mit wem?«
Cabanazzi war noch fahler geworden. Er hatte etwas verraten, was nach dem Gesetz der Mafia den sofortigen Tod rechtfertigte.
»Verraten Sie mich nicht, padre«, stammelte er in würgender Todesangst. »Fragen Sie nach dem Ordnungsausschuß, und dann reden Sie mit den Freunden. Bitte, bitte … sie sollen mich gehen lassen nach Südamerika.«
»Ich will es versuchen, Cabanazzi.«
Während draußen vor der Baracke Cabanazzi von den drei Wartenden in Empfang genommen und weggeführt wurde, winkte Pater Wegerich den noch immer vor dem Fenster Wache stehenden Mario Giovannoni zu sich heran.
»Du wartest auf Cabanazzi?« fragte er. Mario nickte freundlich.
»Ja, padre. Wir wollen zusammen in die Stadt, ein Glas Wein trinken.«
»Du belügst deinen Pfarrer!« sagte Pater Wegerich streng. Mario legte beide Hände theatralisch aufs Herz.
»Die Madonna weiß, ob ich lüge«, sagte er frech.
»Sie weiß es bereits!« rief der Pater.
»Dann werde ich ihr morgen eine Kerze opfern.«
»Führ mich zu den Männern eures Ordnungsausschusses!«
»Hier gibt es keinen Ausschuß.«
»Leugne nicht! Ihr habt einen Ausschuß im Lager.«
»Das muß ein Irrtum sein, padre.« Mario Giovannoni hob die Finger zum Schwur. »Wir haben eine Fußballgemeinschaft, einen Mandolinenclub, vier Kartenspielerriegen, einen Gesangverein, aber einen Ordnungsausschuß, nein! Was soll er denn hier? Bei uns herrscht Ordnung, dafür sorgt schon der Herr Lagerleiter.«
»Es ist gut.« Pater Wegerich gab es auf. Es war sinnlos, auf diese Art in die geheime Organisation einzudringen. Sie würden selbst Christus belügen, wenn er sie fragte, dachte er.
Mario Giovannoni wartete auf eine weitere Frage. Als aber Pater Wegerich schwieg, sagte Mario:
»Kann ich noch etwas für Sie tun, padre?«
»Ja.« Pater Wegerich strich seine Soutane glatt. Hier scheint die warme Sommersonne, dachte er. Es ist Sonntag, die Kirche ist vorbei, alle Menschen sollten glücklich sein an diesem Tag des Herrn. Aber trotz Sonne und Sonntag ist es um mich dunkler als unten im Schacht, auf der 6. Sohle, vor Ort und Kohle. »Sage denen, die es angeht: Auf Erden ist es leicht, sich gegen Gott zu versündigen. Das Buch der Schuld wird aber drüben aufgeschlagen, und da gibt es kein Entrinnen und Verstecken mehr! Man mag auf Erden darüber lachen – das Zähneklappern folgt bestimmt! Hast du das verstanden?«
»Jedes Wort, padre.« Mario Giovannoni nickte ernst. »Aber bedenken Sie: Wir leben auf dieser Erde, um uns zu erhalten. Und das ist manchmal schwer.«
Ohne Entgegnung wandte sich Pater Wegerich ab und ging aus dem Italienerlager. Die von der Fußballmannschaft, im Trikot, liefen hinter ihm her.
Der Spezialist hatte strenge Bettruhe verordnet. Keine Aufregung, Diät, zwei Glas Moselwein, leichte Lektüre und im übrigen Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe!
Dr. Ludwig Sassen hatte diese Ratschläge kommentarlos zur Kenntnis genommen. Dann, als der Arzt gegangen war, hatte er mit der flachen Hand auf das Bett geschlagen und gerufen: »So kann auch nur ein Mediziner daherreden! Ruhe! Keine Aufregung! Wie stellt sich der das vor? Mein Sohn verläßt mich, meine Tochter zieht aus, ihr Freund, mein angehender Schwiegersohn, legt sich mit der ganzen Direktion an … und da soll man ruhig bleiben!«
Jetzt fehlte ihm Veronika. Er hatte nie solche Sehnsucht nach ihr gehabt wie jetzt, da er allein im Bett lag, von Sabine und einer sofort eingestellten Pflegerin betreut, und sich vorkam wie ein seniler Greis, dessen kleinste Handlung kontrolliert und dessen Schritt geleitet wird.
Er wehrte sich dagegen, krank zu sein. Der plötzliche Zusammenbruch hatte ihn selbst maßlos überrascht, er hatte nie geglaubt, daß es mit seinem Herzen schon so weit war, daß eine Aufregung, die er früher überhaupt nicht beachtet hatte, ihn fällte wie einen morschen Baum. Er kämpfte dagegen an, und da Veronika ihn nicht trösten konnte, tat er es auf seine Art: Er ließ sich ans Bett ein Telefon stellen und blieb so auch in den Kissen ständig mit der Zeche Emma II verbunden.
Dreimal fand ein heroischer Kampf mit dem Spezialisten statt, bis dieser vor dem
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