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Die schöne Betrügerin

Die schöne Betrügerin

Titel: Die schöne Betrügerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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drahtige kleine Taschendieb war einer der nicht ganz astreinen Liars. Nun ja, er war loyal bis ins Mark, aber er arbeitete am besten allein. Er verabscheute die Gegend hier, sammelte jedoch auf geradezu magische Weise Informationen. Und um einen Verdächtigen zu beschatten, gab es keinen Besseren, denn der flinke gewandte Feebles konnte wie auf Kommando förmlich unsichtbar werden.
    Feebles schien von James keine Notiz zu nehmen, doch James wusste, dass der Bursche ihn bemerkt hatte. Er hob einen Finger an die Krempe seines Huts, wohl um sich den Hut der Nässe wegen tiefer ins Gesicht zu ziehen. Feebles schaute in eine gänzlich andere Richtung, antwortete aber mit einem leichten Achselzucken. James grinste ein wenig vor sich hin und ging weiter. Er überlegte, einen diskreteren Weg zu nehmen – sagen wir, über die Hintergasse und seitlich am Gebäude hinauf –, aber jetzt, bei dem feuchten Nebel, war der Sims, der zur geheimen Hintertür des Clubs führte, vermutlich nicht der bequemste Weg.
    Er hatte sich seit mehreren Blöcken den Hut ins Gesicht gezogen und den Kragen hoch gestellt, wie jeder andere Kerl auch, der dumm genug war, bei diesem Wetter herumzulaufen. Er beschloss, dieses Mal den direkten Zugang zu riskieren, und eilte über die Straße auf den stämmigen Türsteher unter dem nichts sagenden Vordach zu. Der Mann machte große Augen, hielt ihm aber sofort die Tür auf und folgte James nach drinnen, um ihm aus dem Mantel zu helfen. Dabei neigte sich Stubbs heran und flüsterte James ins Ohr, obwohl in den vorderen Räumen, dem öffentlichen Teil des Liar’s Club, noch keine Clubmitglieder zu sehen waren.
»Er
wartet im Deschi… im Descheff… im Codezimmer auf Sie.«
    James seufzte über Stubbs’ Gestammel. Der Bursche war offiziell sein Lehrling, doch der verwaiste ehemalige Gassenjunge hatte nicht den geringsten Sinn fürs Lernen. »Hast du Schreiben und Mathematik geübt, wie ich es dir gesagt habe, Stubbs?«
    »Hab’s versucht, Sir. Ich kann mit diesen Schulfibeln einfach nichts anfangen.« Stubbs’ ernstes Gesicht war rot angelaufen, als James sich ihm zuwandte.
    James nickte und hoffte, wenigstens geduldig zu erscheinen. »Ich weiß, es ist schwierig. Aber du kannst nicht als Saboteur arbeiten, wenn du nicht lesen und rechnen kannst, Stubbs. Du jagst Muskat statt Musketen in die Luft. Und wie willst du deinen Sprengstoff hersteilen, wenn du nicht in der Lage bist, zu mischen und Maß zu nehmen?«
    Stubbs nickte kläglich, die hellblauen Augen niedergeschlagen. James klopfte ihm auf die Schulter und setzte aufmunternd hinzu: »Du schaffst das, Mann. Du musst nur durchhalten!«
    Damit wandte er sich ab in der Hoffnung, dass Stubbs das Thema nicht weiterverfolgte. Du lieber Himmel, er wusste nicht, wie man jemandem das Lesen beibrachte. Er schaffte es ja kaum, Robbie dazu zu bewegen, sich halbwegs regelmäßig zu waschen. Vielleicht sollte er Stubbs ja zur Schule schicken, jetzt wo Agatha und ihr Ehemann Simon drüben auf der anderen Straßenseite die Spionage-Akademie eröffnet hatten. Obwohl die Akademie als wohltätige Einrichtung firmierte, als Schule für die »vom Glück nicht Begünstigten«, würden die neuen Schüler in den Liar’s Club eintreten – mit all den Vorteilen versehen, die Bildung und Manieren mit sich brachten, und allem, was Agatha ob ihrer beträchtlichen Hartnäckigkeit ihnen hatte einbläuen können.
    Ein Segen, was die Zukunft des Liar’s Club anging, sicher; vermutlich aber keine Hilfe für den armen Stubbs. James konnte sich nicht vorstellen, dass es dem fast dreißigjährigen Stubbs helfen würde, mit den jungen Burschen, die dort jetzt ausgebildet wurden, in einem Klassenzimmer zu sitzen. Der Mann arbeitete seit Jahren für die Liars und verfügte über eine schier phänomenale Geschicklichkeit. Stubbs war der perfekte Saboteur und absolut lernfähig, falls es James gelang, Stubbs’ enorme Unwissenheit zu überwinden.
    Ich setze es auf meine Liste.
Von der Last all dessen gebeugt, versuchte James an etwas anderes zu denken, während er die Treppe zum nächsten Stockwerk hinaufstieg. Zum Beispiel an den erstaunlichen Reiz roter Locken, obwohl er doch immer goldenes Haar bevorzugt hatte. James strich sich, von neu erwachter Selbstverachtung erfüllt, mit der Hand übers Gesicht. Der gestrige Abend war so etwas wie eine Offenbarung gewesen. Er hatte geglaubt, die Erfahrung mit Lavinia habe seine niedrigeren Instinkte erstickt. Offensichtlich hatte er sich nur

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