Die schöne Betrügerin
zugegen war. Sie hakte sich vertraulich bei Phillipa unter. Kitty nahm Phillipa am anderen Arm, im offenkundig schwesterlichen Wettstreit. »Wir werden uns um nichts in der Welt von Ihnen trennen«, erklärte Kitty. »Wer uns beide auseinander halten kann, und sei es nach langer Bekanntschaft, muss ein außergewöhnlicher Bursche sein.«
»In der Tat, Phillip«, setzte James hinzu. »Ihre Beobachtungsgabe ist beeindruckend. Wie schön, mein Vertrauen in Sie bestätigt zu sehen. Bitte lassen Sie ruhig weiter solche Fähigkeiten sehen.«
Phillipa wurde von dem Lob ganz warm, obwohl sie nicht sicher war, was James damit meinte. Warum sah er sie so forschend an? Aber sie hatte keine Zeit, lange über die Angelegenheit nachzudenken, denn die Mädchen zerrten sie förmlich zur Kutsche und buhlten ständig um ihre Aufmerksamkeit.
Sie hielt, wie es schien, Hof.
Der Ball war wie jeder andere Ball auch, nur dass James unter Druck stand und enttäuscht war. Er hatte auf der Suche nach Unterstützung auf jeden einflussreichen Gentleman im ganzen Saal eingeredet und kaum etwas erreicht. Liverpool hatte Recht. Eine Anklage gegen Lady Winchell wollte keiner.
James war nicht überrascht, als spät am Abend sogar noch Collis Tremayne auf dem Ball auftauchte. Collis wehrte sich aus Prinzip gegen alle gesellschaftlichen Verpflichtungen, doch James hegte den Verdacht, dass Collis gelegentlich Ablenkung brauchte. Nachdem er mit einem praktisch unbrauchbaren Arm aus den Diensten in Seiner Majestät Armee zurückgekehrt war, fühlte der Etheridge-Erbe sich gänzlich nutzlos. Sein Onkel hatte ihn kürzlich für eine Ausbildung im Liar’s Club rekrutiert, aber James wusste, dass Collis sich nicht ganz sicher war. Wie sollte ein quasi einarmiger Mann der Krone von Nutzen sein?
James rieb sich mitfühlend seine heilende Schulter. Was wäre geschehen, wäre er permanent behindert geblieben wie Collis?
Nicht auszudenken. Die Schussverletzung heilte endlich, und von den Symptomen der Unterernährung hatte James sich komplett erholt. Er würde bald wieder voll im Dienst stehen.
Nachdem er ein paar Minuten lang alle begrüßt hatte, kam Collis auf James zu und bezog neben ihm Stellung. »Hallo, James.«
James nickte liebenswürdig. »Collis.«
Collis sah sich im Ballsaal um. »Wo ist Phillip? Hat er die Flucht ergriffen und dich mit den Wer — ist — wer — Zwillingen alleine gelassen?«
James nahm einen tiefen Schluck Limonade. »Nein. Er ist hier.«
Collis grinste. »Er versteckt sich, oder? Ich kann’s ihm nicht verübeln. Hat man je einen solchen Auflauf lebendiger junger Damen gesehen? Ich fürchte, wir werden wegen der kriegsbedingten Männerflaute noch junge Kerle aus Amerika importieren müssen.«
James grinste vor sich hin. »Ich glaube nicht, dass man uns beiden heute Abend groß zusetzen wird.« Collis zog eine Augenbraue hoch. »Warum nicht?«
James nickte in Richtung eines bunten Gewühls aus Seiden- und Spitzenkleidern am anderen Ende des Ballsaals. »Sie sind alle da drüben.«
Collis studierte die Gruppe. Zwischen seinen Augenbrauen zeichnete sich plötzlich eine Linie ab. »Was ist da los? Das müssen fast zwanzig Mädchen sein? Hinter was sind die her?« James grimassierte. »Die sind… hinter Phillip her.«
Collis lachte skeptisch. »Dein schmächtiger kleiner Hauslehrer soll der Ballkönig sein? Ich glaube dir kein Wort.«
James zuckte die Achseln. »Komm mit. Ich beweise es dir. Wird vermutlich ohnehin Zeit, dass ich ihn rette.«
Die beiden näherten sich dem Kreis von dahinschmelzenden Frauen. Es war gar nicht leicht, Phillip zu finden, denn der Bursche war kaum größer als seine Bewundrerinnen.
Als Collis und James näher kamen, hörten sie Phillip ganz entspannt dozieren und offenkundig nicht der Rettung harren.
»Ja, Miss Tate, ich stimme absolut zu. Die hohe Taille wird bald verschwinden. Eine wirtschaftlich denkende junge Lady wird, wenn sie ein Kleid bestellt, daran denken, der Taillennaht etwas Stoff stehen zu lassen, damit sie Taille herauslassen kann, falls die Mode es verlangt.«
Der Vorschlag stieß auf bewunderndes, zustimmendes Gemurmel, das sich sofort legte, als Phillip wieder den Mund aufmachte. »Aber ich denke, ich kann Ihnen ruhigen Gewissens zum Kauf ein paar guter Hüte raten. Ein Hutband lässt sich immer austauschen, nicht wahr?« Kitty drängte durch die Menge, um sich tollkühn bei Phillip unterzuhängen. Bitty tat es ihr augenblicklich gleich.
Collis beugte sich vor und
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