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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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plötzlich, mit stark beschleunigtem Puls, dass sie sich getäuscht hat. Behaupten, man habe sich getäuscht, das zieht immer. Also beschließt sie, sehr würdevoll mit ihm zu reden, und um feierlich zu wirken, setzt sie sich einen hohen goldenen Turban auf. ›Lieber dritter Spinnenmann‹, sagt die Spinnenfrau und faltet die behaarten Beinchen, ›gehen wir würdevoll miteinander um und trennen wir uns großmütig ohne billige Beschuldigungen. Besudeln wir nicht die edle Erinnerung an vergangenes Glück mit unnützen Beschimpfungen. Ich bin dir die Wahrheit schuldig, und die Wahrheit, mein Lieber, ist, dass ich dich nicht mehr liebe.‹ Behaupten, ich liebe dich nicht mehr, das wirkt immer. ›Liebe zu heucheln wäre niederträchtig‹, fährt sie fort. ›Was willst du, mein Lieber, ich habe mich getäuscht. Aus tiefster Seele hatte ich geglaubt, du seist der ewige Spinnenmann. Es tut mir leid. Wisse, dass ein vierter Spinnenmann wichtig in meinem Leben geworden ist.‹ Sie lieben es zu sagen, ›wichtig in meinem Leben‹, denn das klingt vornehmer als ›ich gehe mit ihm ins Bett‹. Und das Schätzchen fährt fort und zeigt dabei immer erhabenere Gefühle. ›Siehst du, ich liebe ihn aus tiefster Seele, denn er ist der Inbegriff des Spinnenmanns, er hat eine auserlesene Seele und einen Charakter von höchster Moralität. Gott hat ihn auf meinen Weg geführt. Ach, wie ich leide, denn der Schlag, den ich dir versetze, ist wahrscheinlich tödlich! Aber was soll ich tun? Ich kann nur in der Wahrheit leben, ich kann nicht lügen, denn mein Mund und meine Seele müssen rein bleiben. Also leb wohl, mein Lieber, und denk noch manchmal an deine kleine Antinea.‹ Oder sie schlägt ihm am Ende ihrer Rede ein letztes Beisammensein im Bett vor, als Beweis ihrer aufrichtigen Zuneigung und um ihm eine schöne Erinnerung zu hinterlassen. Aber meistens endet es mit: ›Sei stark, und bleiben wir Freunde‹.
    Ich hasse sie!«, rief er und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. »Ich verabscheue sie, denn sie wird niemals zugeben, dass sie diesen Vierten nur liebt, weil er neu ist und ihr nach dem dritten Abwechslung bringt. Nein, sie reden immer von der neuen Liebe, als sei sie ein Schlag des Schicksals, etwas Unabwendbares, ein wunderbares Mysterium, und sie legen ihre ganze Seele hinein! So wackelt sie also mit ihrer Seele und ihrem Hintern und verschwindet mit dem Vierten nach Ägypten, wo er sie an dem Tag enttäuschen wird, da sie merkt, dass er genau wie ein Ehemann an Koliken leidet!
    Und die Tanzfliege! Auch da muss der arme Fliegenmann Kraftakte vollbringen. Die Tanzfliegenfrau verlangt es. Ach ja, das hatte ich Ihnen ja schon gesagt. Also der Zeisig! Damit das Weibchen sich herbeilässt, in Erregung zu geraten und die daraus resultierenden Eierchen zu legen, muss das arme Männchen sich energisch und sportlich gebärden, lauter und wütender zwitschern als die anderen Zeisige, verwegen die Schultern rollen, sich wie ein Gangster aufführen und bedrohlich die Flügel hängenlassen! Ich Armer! Und sollte es mir einfallen, liebenswürdig zu sein, hackt sie mir vor Wut die Augen aus!«
    Er hielt inne. Den Rosenkranz aus Sandelholz um den Zeigefinger drehend, sah er sich aus dem Laden des Tätowierers in Marseille treten und dann in einem Hotelzimmer auf dem Boden liegen, für immer phlegmatisch, die Arme verschränkt unter der Lampe, welche die ganze Nacht brennen würde, die Arme verschränkt und ein Loch über der Brustwarze und rundherum die kleinen schwarzen Punkte des Schießpulvers. Nein, kein Loch, denn er hatte aus nächster Nähe geschossen. Durch die in die Wunde eingedrungenen Verbrennungsgase würde die Haut sternförmig aufplatzen. Er wandte sich wieder ihr zu.
    »Ich sage diese abscheulichen Worte, die ich gleich darauf bedaure, diese paläolithischen und pavianischen Worte, die ich dennoch ständig wiederholen muss, ich sage sie, weil es mich wütend macht, dass sie nicht so sind, wie sie es verdienen, wie sie tief in meinem Herzen sind. Sie sind Engel, ich weiß. Aber warum dann diese paläolithische Frau hinter dem Engel? Hören Sie mein Geheimnis. Manchmal schrecke ich nachts aus dem Schlaf, schweißgebadet vor Entsetzen. Wie ist es nur möglich, dass sie, die Sanftmütigen und Zärtlichen, sie, mein Ideal und meine Religion, dass sie die Gorillas und ihre Gorillamanieren lieben? Es ist die Bestürzung meiner Nächte, dass die Frauen, diese Wunder der Schöpfung, immer Jungfrauen

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