Die Schöne des Herrn (German Edition)
Feuer, und dann wieder so fern und würdevoll, legendär.
Mit Timie konnte ich ganz unbeschwert zärtlich und absurd und jungenhaft sein, Timie, meine Schäumende, das Köpfchen plötzlich noch kleiner, wenn sie Lust hatte, gefühlvoll zu sein, Augen, die sich in zärtlicher Komplizenschaft schlossen, Augen, verzückt halbgeschlossen, weil ich ihr zum hundertsten Mal sagte, sie sei ein liebes Kätzchen, zerzauste Timie, die in der Sonne träumte, ihr Näschen in die Sonne streckte, das Leben schön fand, das kleine Leben in der Sonne, o ihre lieben leeren Augen. Die so eifrige Timie, wenn sie sich, einer plötzlichen Eingebung folgend, in der Sonne putzte, sich die Hinterpfote leckte, die sie mit Bewegungen eines Kontrabassspielers bewegte, plötzlich innehaltend, um mich mit verblüfftem Interesse anzusehen, in dem Versuch zu begreifen oder um zerstreut nachzudenken, kleine, von der knallenden Sonne benommene Denkerin. Wenn ich von den Menschen zurückkam, war es ein kleines Glück, sie, fern der bösen Affen in schwarzen Jacken und gestreiften Hosen, wiederzusehen, bereit, mir zu folgen, mir zu vertrauen, meine Knie zu streichen, sich mir erkenntlich zu zeigen, indem sie ihr gleichmütiges Köpfchen an meiner Hand rieb, dieses Köpfchen, das nie schlecht von mir dachte, mein so gar nicht antisemitischer Liebling.
Sie verstand mehr als zwanzig Worte. Sie verstand ›ausgehen, Vorsicht, böser Hund, Essen, Fischpastete, leckeres Stückchen Leber, sei lieb, sag guten Tag‹ – was man ›sagutag‹ aussprechen musste, und dann rieb sie ihr Köpfchen an meiner Hand, um mir guten Tag zu sagen. Sie verstand ›Fliege‹, und dieses Wort bezog sich auf alles, was Flügel hatte, und dann stürzte meine kleine Jägerin ans Fenster, in der Hoffnung auf eine Beute. Sie verstand auch ›pfui‹, aber damit war sie nie einverstanden und protestierte. Sie verstand ›nimm‹ und ›komm‹. Sie kam nicht immer, meine Unabhängige, wenn ich ›komm‹ zu ihr sagte. Aber wie eilte sie herbei, liebenswürdig, beflissen, erste Verkäuferin einer Haute-Couture-Boutique, wenn ich ›nimm‹ zu ihr sagte. Wenn ich ihr sagte, ›du machst mir Kummer‹, miaute sie, ganz Tragödin. Wenn ich ihr sagte, ›es ist aus zwischen uns‹, kroch sie unter das Sofa und litt. Aber ich holte sie mit einem Spazierstock wieder hervor und tröstete sie. Und sie gab mir einen Katzenkuss, fuhr mir einmal ganz kurz mit der rauhen Zunge über die Hand, und wir schnurrten gemeinsam, sie und ich.
Die Arme blieb den ganzen Tag allein in der großen Villa. Ihre einzige Gesellschaft war die Frau des Gärtners, die morgens und abends kam, um ihr das Fressen zu geben. Und wenn sie sich zu sehr langweilte und sich nach mir sehnte, machte sie Dummheiten, indem sie etwa mit ihren Krallen die auf dem Tisch des Salons liegende Bibel zerkratzte. Das war eine kleine kabbalistische Aktion, eine Beschwörung, ein Zauber, der mich auftauchen lassen, den unentbehrlichen Freund beschwören sollte. Dieses kleine Hirn hatte sich nämlich gedacht: Wenn ich etwas Böses tue, schilt Er mich aus, und folglich ist Er da. Es war eigentlich nicht absurder als ein Gebet.
Wenn ich abends zu ihr kam, nach meiner Unterhanswursterei, wie sprang sie da durch den Flur, sobald sie den wunderbaren Klang des Schlüssels in der Tür hörte, und dann gab es eine kleine Eheszene. ›Ich habe gelitten‹, sagte ihr rührendes Miauen im tiefen Alt, ›du lässt mich zu viel allein, das ist kein Leben.‹ Dann öffnete ich den Kühlschrank, nahm ein Stück rohe Leber heraus, zerschnitt es mit der Schere, und alles war wieder gut. Eine Idylle. Sie hatte mir verziehen. Mit vor Ungeduld und Glück zitterndem Schwanz brachte sie ein ganz wundervolles Schnurren hervor, rieb ihr Gesichtchen an meinem Bein, um mir zu zeigen, wie sehr sie mich liebte und wie reizend sie es fand, dass ich ihr Leber kleinschnitt. Lag die Leber fertig auf der Untertasse, machte es mir Vergnügen, sie ihr nicht gleich zu geben. Ich ging durch die Diele und den Salon, machte Umwege, und sie folgte mir festlich gestimmt überall hin, mit dem Gang einer Marquise, feierlich, Musterkind und Oberhofmeisterin zugleich, auf einmal im Galakleid, den edlen Schwanz zitternd erhoben, folgte mir anmutig und samtpfotig, ungeduldig in ihrem bezaubernden Menuett, beschwingt von Gier und Freundschaft, die Augen zu der heiligen Untertasse erhoben, treu ergeben und bereit, mir bis ans Ende der Welt zu folgen. Mein liebes, kleines, falsches
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