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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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verzweifelten Laute einer Menschenstimme ausstieß, der Stimme einer sanften Wahnsinnigen oder einer einsamen Sirene, blickte ihm nach, als er sich entfernte, er, der von nun an ihr ganzes Glück auf Erden war. »Auserwählt beim ersten Schlag der langgeschwungenen Wimpern«, hatte er gesagt. »Es ist wahr, ich habe schöne Wimpern«, murmelte sie. Plötzlich runzelte sie die Stirn. Welches Kleid auf diesem brasilianischen Empfang? Ach ja, das lange Schwarze. Sie atmete erleichtert auf. Gott sei Dank, es war ein Haute-Couture-Kleid aus Paris. Sie sah sich wieder in diesem Kleid, das ihr so gut stand, und lächelte. Also angeregtes Gespräch bei Tisch, und Waddell, der uns die ganze Zeit anstarrte, er konnte es nicht fassen, es hat ihm richtig den Atem verschlagen. Gar nicht so einfach zu verkraften, was? Er, der Boss, sehr fesch und forsch, aber sehr höflich zu mir, er hat sogar das Menü mit mir besprochen und so weiter, er hat einfach einen wahnsinnigen Charme, ich schaue ihm gern zu, wenn er an seinem Rosenkranz fingert, das scheint im Orient üblich zu sein. Weißt du, wenn ich zurück bin, lasse ich mir auch einen weißen Smoking machen, wie er, das trägt man jetzt viel im Sommer, du kannst davon ausgehen, dass er weiß, was Mode ist. Er legte die Geschenke vor sie hin. Seinen Rosenkranz aus Smaragden, seine Ringe, den kleinen Teddy mit Mexikanerhut. »Für Sie«, sagte er sehr gefühlvoll, und er sah entzückt, dass sie mütterliches Mitleid empfand. Sie öffnete ihre Handtasche und reichte ihm das schöne Zigarettenetui, Gold und Platin, das Geschenk ihres Mannes. »Ich gebe es Ihnen«, sagte sie. Er hielt es an seine Wange und lächelte ihr zu. Sie waren glücklich, sie hatten sich gegenseitig beschenkt. Nach dem Dessert sind wir dann zu ihm hinaufgegangen, oh, das hättest du sehen sollen, ein prächtiger Salon, Stilmöbel, und der Kaffee wurde von seinem persönlichen Diener serviert, der aber auch sein Chauffeur ist, laut Kanakis. Er interessiert sich für ein gewisses literarisches Projekt von mir, einen Roman über Don Juan, ich habe mir Gedanken zu dem Thema gemacht und werde dir davon erzählen, ich habe tolle Ideen zu Don Juan gesammelt, die vorweggenommene Verachtung und der Grund für seine Verführungswut, na ja, ich werde es dir erklären, es ist ziemlich kompliziert, aber ich glaube, neu und originell. Er hörte mir also aufmerksam zu, stellte mir Fragen, kurz, die große Freundschaft, wir sind auf der gleichen Wellenlänge, er nennt mich beim Vornamen und duzt mich sogar, daran kannst du sehen, dass ich gute Arbeit geleistet habe! Duzt er etwa Vauvau? Nein, er duzt Herrn Adrien Deume! Und stell dir vor, er hat mir sogar anvertraut, dass er in die Frau des ersten indischen Delegierten verliebt ist, er hat es mir zwar nur durch die Blume gesagt, aber an gewissen Einzelheiten habe ich es gleich erraten, na ja, das zeigt dir den Umgangston. Unter uns gesagt hat die Sache irgendwo etwas Verrücktes, denn er wollte seine schöne Inderin partout nicht verführen, aber ich habe ihn ermutigt, denn, verstehst du, der indische Delegierte ist mir herzlich egal, soll er ihm ruhig tüchtig Hörner aufsetzen. Liebesgeflüster bei diesem schrecklichen Schnulzenwalzer, der sich schleppend hinzog. Über sie gebeugt und ihren Duft einatmend, bat er sie zu sprechen, sagte, er habe ihre Stimme nötig. Aus der Starre der Verschmelzung erwacht, blickte sie ihn mit sanften Hundeaugen an, ihn, den herrlich Großen, und bewunderte die schönen Zähne über ihr. »Sagen Sie etwas Außergewöhnliches«, bat er. »Wir beide«, sagte sie, verloren in den Schneide- und Eckzähnen. »Sprechen Sie weiter«, bat er. »Ich habe Augen wie Setzeier«, sagte sie lächelnd und drückte sich an den Unbekannten. Und da ruft plötzlich der Portier von unten an und fragt, ob die schöne Inderin heraufkommen könne. Katastrophe, ich überlege nicht lange, ich schlage ihm sofort vor, ins Palais zu fahren und ihm auf der Stelle eine Zusammenfassung des britischen Memorandums anzufertigen, du weißt doch, dieses Memo, ich habe dir davon erzählt, dieser Riesenbrocken, den ich nicht erledigen konnte, weil ich zu viel anderes zu tun hatte, aber er sagte, nein, er wolle mich nicht zwingen, ins Palais zurückzukehren, ich könne ruhig bleiben, na ja, reine Höflichkeit natürlich, verstehst du, und da sage ich doch glattweg: »Ich werde mir erlauben, Ihnen nicht zu gehorchen, Monsieur.« Meine schlagfertige Antwort schien ihm gefallen zu

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