Die Schöne des Herrn (German Edition)
während sie fromm und rein spielte, waren auf dem Schemel ihre vollen Hüften in Bewegung, bewegend, sanft hin und her sich bewegend, ihm versprochen.
Er blickte sie an und wusste, und nahm sich übel, dass er wusste, wusste, dass sie sich schämte, obwohl er es nicht wirklich wusste, sich schämte, dass sie vorhin im Ritz zu eng an ihn geschmiegt getanzt hatte, sich ihrer Verzückung schämte über die Reise mit ihm ans Meer, und er wusste, dass sie, sobald sie in diesen Salon getreten waren, ein unbestimmtes Bedürfnis nach Sühne gehabt hatte. Sühne die Betrachtung des Himmels, das »Immer«, der keusche Druck ihrer Hand, während sie sich im Ritz so eng an ihn geschmiegt hatte, das ehrfurchtsvolle Lauschen auf die Nachtigall, unerträgliches Klischee und überbewertete Sängerin. Sühne der Choral, um diese aufgeflammte Liebe zu läutern, Seele hineinzulegen, sich zu beweisen, dass sie voller Seele sei, um ohne Gewissensbisse die körperlichen Freuden genießen zu können.
Nach dem letzten Akkord blieb sie reglos auf ihrem Schemel sitzen, den Blick auf die Tasten gesenkt, voller Ehrfurcht vor den verklungenen Tönen. Nach diesem Zwischenspiel, dem Übergang vom Himmlischen zum Irdischen, wandte sie sich zu ihm und schenkte ihm ihren Glauben mit einem ernsten, kaum wahrnehmbaren Lächeln. Ein bisschen albern, dachte er. Sie war aufgestanden und widerstand dem Wunsch, sich zu ihm auf das verblichene Seidensofa zu setzen, ließ ihre Hüften in einen Sessel sinken und erwartete einen Kommentar zu dem Choral. Im Garten klopfte ein nächtlicher Specht. Da Solal schwieg, denn er hasste Bach, schrieb sie sein Schweigen einer Bewunderung zu, die zu tief war, um sich in Worte fassen zu lassen, und war tief bewegt.
Eingeschüchtert von diesem Schweigen, und weil er schlank und groß war und so elegant in seiner weißen Kleidung, schlug sie die Beine übereinander, zog am Saum ihres Kleides und verharrte in poetischer Positur. Liebling, dachte er, gerührt von dieser Schwäche und diesem rührenden Wunsch zu gefallen. Da es ihn verlegen machte, so voller Verehrung angesehen zu werden, schlug er die Augen nieder, und da erbebte sie, als sie die Narbe sah. Oh, dieses Lid küssen, das Leid auslöschen, das sie ihm zugefügt hatte, und ihn um Verzeihung bitten. Sie räusperte sich, um mit klarer Stimme zu sprechen. Aber er lächelte ihr zu, und sie erhob sich.
Endlich bei ihm, endlich die goldenen Punkte so nah, endlich die Zuflucht der Schulter, endlich in seinen Armen. Sie wich mit dem Kopf zurück, um ihn besser sehen zu können, näherte dann ihr Gesicht, öffnete die Lippen wie eine erblühende Blüte, öffnete sie andächtig, den Kopf nach hinten geneigt, die Lider ersterbend, überglücklich und geöffnet, eine verzückte Heilige. Schluss mit dem Choral und der Nachtigall, dachte er. Handfestes jetzt, nachdem sie die Seelenvolle gespielt hatte, dachte er, und er hasste sich für diesen Teufel in ihm. Tja, hätten ihm vier Schneidezähne gefehlt, hätte es natürlich kein konzentriertes »Immer« gegeben, keine Nachtigall, keinen Choral. Aber auch mit kompletten Zähnen hätte es, wäre er ein zerlumpter Arbeitsloser, kein »Immer«, keine Nachtigall, keinen Choral gegeben. Nachtigallen und Choräle waren der besitzenden Klasse vorbehalten. Wie auch immer, sie war seine Geliebte, genug jetzt, es reicht, verdammte Psychologie!
Auf dem verblichenen Seidensofa, dem Sofa Tantléries, kosteten sie einander, Mund auf Mund, die Augen geschlossen, kosteten sich lange, tief, verloren, gründlich, unersättlich. Zuweilen löste sie sich von ihm, um ihn zu sehen und zu erfahren, betrachtete ihn anbetungsvoll mit irrem Blick, und wiederholte sich innerlich zwei Worte der russischen Sprache, dieser Sprache, die sie aus Liebe zu Warwara gelernt hatte und die ihr jetzt dazu diente, einem Mann zu sagen, dass sie seine Frau sei.
»Twoja schena«,
sagte sie in ihrer Seele zu ihm, während sie das unbekannte Gesicht in ihren Händen hielt, und dann näherte sie sich ihm wieder und gab sich ihm hin, während draußen ein Kater und seine Katze schrill und heiser ihre Liebe psalmodierten.
»Twoja schena«,
sagte ihre Seele bei jedem Atemholen zu ihm, sagte ihre Seele zu ihm, um stärker zu spüren, demütiger zu spüren, dass sie sein war, sein und abhängig, um ganz ursprünglich zu spüren, Bäuerin und barfüßig und nach Erde riechend, zu spüren, dass sie seine Frau und Dienerin war, die sich von der ersten Stunde an vorgebeugt
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