Die Schöne des Herrn (German Edition)
niemand nach Ihnen, verrückt, wie ich meine junge Brust liebe, ich glaube, ich bin eine recht schöne Person, die anderen haben bärtige, ja sogar begraste Beine, die Armen, sie tun mir wirklich leid, aber das ist ihr Problem, sag mir, Liebste, erzählen wir uns ein bisschen was? Nein, streng verboten, im Bett wird es viel toller sein, schön eingepackt, ganz gemütlich, schauen wir mal, was ich sonst noch bedenken muss, also, ich habe alles, was ich brauche, mitgenommen, das Etui des Erzengels, den kleinen Spiegel für den Notfall im Bett, und dann erzählen wir uns, wie es morgen Abend sein wird, nein, heute Abend, mit allen Einzelheiten erzählen wir es uns, wie ich angezogen sein werde, was ich ihm sagen werde und was er mit mir anstellen wird, schon verrückt, die erotischen Möglichkeiten eines jungen Mädchens aus guter Familie wie ich, ganz zu schweigen von meiner völligen Amoralität, denn ich habe ihm das schöne Ding aus massivem Gold gegeben, das der arme Didi mir geschenkt hat, armer Didi, natürlich, aber was soll ich machen, es ist schließlich nicht meine Schuld, jedenfalls kommt er erst in zig Wochen zurück, wir haben also viel Zeit.«
Sie seifte sich rasch im Stehen ein. Tja, sie hatte ihn geheiratet, weil er sie so darum gebeten hatte und weil sie unglücklich gewesen war und noch ganz benebelt von dem Gift des Selbstmords, was ihr Einverständnis beeinflusst hatte. Nein wirklich, er hätte nicht so darauf bestehen sollen. Im Grunde hatte er sich ihre Schwäche zunutze gemacht, na ja, mehr oder weniger. Kurz, heute Abend um neun!
In der Pyjamajacke, nackt von den Hüften bis zu den in roten Pantoffeln steckenden Zehenspitzen, hüpfte sie auf einem Bein in ihr Zimmer und kniete auf dem alten Betstuhl ihrer Tante nieder. Ihr plötzlich im Spiegel wahrgenommenes Bild war ihr peinlich. Ein bisschen kurz die Jacke, aber keine Zeit, eine Hose anzuziehen. Was soll’s, Gott achtete nicht auf solche Einzelheiten, und außerdem wusste er ja, wie sie gebaut war. Nach dem abschließenden Amen lief sie zum Bett, wo Jean-Jacques, der abgewetzte Teddybär, dickbäuchiger und einäugiger Gefährte ihrer Nächte, sie erwartete. Als sie bequem in ihrem Bett lag, kniff sie sich mit dem Etui des Erzengels in die Lippen und begann zu schwatzen.
»Komm schon, Jean-Jacques, mach bitte nicht so ein Gesicht, du weißt sehr gut, dass sich an meinen Gefühlen dir gegenüber nichts geändert hat, also bitte keine Szene, ich hätte mir eine Wärmflasche machen sollen, es ist zwar nicht kalt, aber es wäre behaglicher gewesen, das Erzählen wäre angenehmer mit ihr, aber sei’s drum, seine Zigarettenenden will ich nicht mehr Kippen nennen, das klingt ordinär, ich werde das englische Wort für Kippe benutzen und
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sagen, das ist einer Zigarette würdiger, die durch sich selbst stirbt, ich muss ihm sagen, dass ich nur ihm erzählt habe, wie mein Teddybär wirklich heißt, wissen Sie, Geliebter, den anderen erzähle ich, dass mein Bär Patrice heißt, aber vor Ihnen, Geliebter, kann ich keine Geheimnisse haben, das wird ihm gefallen, nur gibt es natürlich immer noch ein Geheimnis, das ich ihm nie verraten werde, ach, da fällt mir ein, als ich ihm am ersten Abend dieses Stück von Bach vorgespielt habe, da hat er mich im Profil gesehen, und ich frage mich, wie ich im Profil ausgesehen habe, komm, Liebste, schauen wir es uns mal an.«
Licht an und raus aus dem Bett, ein Tischchen vor den Ankleidespiegel gestellt, das den Klavierschemel darstellen sollte, dann das nackte Gesäß drauf und nachgedacht. Er hatte rechts von ihr gesessen, also hatte er ihr rechtes Profil gesehen. In einer wenig bequemen Stellung, mit der einen Hand auf einer imaginären Tastatur klimpernd, in der anderen Hand den kleinen Spiegel, schielte sie nach ihrem Profil in dem großen Spiegel. Ja, es ging. Übrigens war ihr rechtes Profil das vorteilhaftere. Von rechts gesehen war die Nase perfekt, es hätte nicht besser sein können. Anschließend wandte sie dem großen Spiegel den Rücken zu und betrachtete in dem kleinen Spiegel das Bild ihrer Hüften im großen Spiegel. Nicht schlecht, nur wackelte sie beim Klavierspielen zu sehr mit der Lendengegend. »Ja, ich bewege zu sehr das untere Dekolletee, darauf sollte ich achten.« Aber vielleicht hatte gerade das ihm gefallen. Ja, vielleicht. Und nun ab ins Bett. Unterwegs klopfte sie dem mexikanischen Bären, ein Geschenk von Solal, hochmütig auf die Schulter. »Geht’s gut, Pedro?«
»Gut,
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