Die Schöne des Herrn (German Edition)
Kamin. Nachdem sie Kleid und Frisur in Ordnung gebracht hatte, sagte sie, sie sei nun sichtbar, und schenkte ihm ein Lächeln der guten Gesellschaft, das alle Kühnheiten verleugnete. Er küsste ihr die Hand, zum Zeichen seiner Ehrerbietung, was mit Dankbarkeit angenommen wurde, denn sie lieben es, nach dem feuchten Geröchel und Geduze respektiert zu werden. Nach einem weiteren Lächeln der herrschenden Klasse erinnerte sie ihn an den russischen Brauch, sich vor einem Aufbruch zu setzen. Er setzte sich, und sie nahm auf seinem Schoß Platz, schloss die Augen und öffnete leicht die Lippen.
Im Vestibül bat sie ihn, noch eine Minute zu bleiben. »Nein«, sagte er lächelnd. Beeindruckt von dieser ruhigen Weigerung, blickte sie ihn schmerzvoll bewundernd an, begleitete ihn sittsam zum Taxi und öffnete den Wagenschlag. Ohne sich um den Chauffeur zu kümmern, beugte sie sich in den Wagen und küsste seine Hand. »Bis morgen Abend, neun Uhr«, erinnerte sie ihn mit leiser Stimme, schloss die Tür, und der Wagen fuhr ab. Sie rannte ihm nach und rief dem Chauffeur zu, er solle anhalten. Vor der heruntergelassenen Scheibe entschuldigte sie sich, ganz außer Atem. »Es tut mir furchtbar leid, ich habe mich geirrt, ich habe Ihnen morgen Abend gesagt, aber es ist vier Uhr morgens, also ist jetzt schon morgen, ich meine, heute Abend erwarte ich Sie, also bis heute Abend, neun Uhr, nicht wahr?« Auf der im Mondlicht blauen Straße stand sie fröstelnd in ihrem zerknitterten Kleid und blickte ihrem Schicksal nach, das in der Ferne verschwand. »Gott behüte dich«, flüsterte sie.
In den kleinen Salon zurückgekehrt, ging sie zum Spiegel, um nicht allein zu sein. Ja, schon heute Abend, und jeden Tag würde es einen Abend geben, und jeden Abend würde es einen Morgen mit ihm geben. Vor dem Spiegel machte sie einen Knicks vor dieser Schönen des Herrn, probierte ein paar Mienen, um zu sehen, wie sie ihm am Ende dieser Nacht erschienen war, stellte sich ein weiteres Mal vor, sie sei er, der sie anblickte, spielte die Bittende, bot ihre Lippen dar und gratulierte sich. Nicht schlecht, gar nicht schlecht. Aber wenn ich etwas sage, würde ich es noch besser erkennen. »Deine Frau, ich bin deine Frau«, sagte sie ekstatisch und aufrichtig bewegt zu ihrem Spiegel. Ja, der Ausdruck ist wirklich gut, ein bisschen wie die heilige Therese von Bernini. Er musste sie ziemlich toll gefunden haben. Und während der feurigen Küsse, der Unterwasserküsse, wie sah sie da aus, mit geschlossenen Augen? Sie öffnete den Mund, schloss das linke Auge und betrachtete sich mit dem rechten. Schwer zu sagen. Der Charme war verschwunden, sie sah wie eine Einäugige aus. Schade, ich werde nie wissen, wie ich während der Prozedur aussehe. Schrecklich, jetzt sage ich Prozedur, wo es doch vorhin mit ihm so feierlich war. In Grunde müsste ich ja nur die Augen fast vollständig schließen und durch die Wimpern blinzeln, um zu sehen, wie ich während der inneren Küsse bin. Aber nein, wozu? Es lohnt sich nicht, denn während dieser Augenblicke ist sein Kopf dem meinen so nah, dass er mich gar nicht sehen kann, es ist also ohne Bedeutung.
Sie setzte sich, zog ihre viel zu engen Schuhe aus, bewegte die Zehen, seufzte erleichtert auf und gähnte. »Uff, Ferien und endlich Ruhe«, sagte sie. »Ich brauche nicht mehr die Bezaubernde zu spielen, denn Monsieur ist nicht da, ja, der Typ, der Kerl, der Bursche, ja genau, mein Lieber, Sie habe ich damit gemeint. Verzeihung, Liebling, es war nur zum Spaß, aber vielleicht auch, weil ich zu sehr Ihre Sklavin bin, wenn Sie da sind, das ist meine Rache, verstehen Sie, um Ihnen zu zeigen, dass ich mir nichts gefallen lasse, um mir meinen
self respect
zu bewahren, aber trotzdem ist es sehr angenehm, wieder allein zu sein.«
Sie stand auf, schnitt Grimassen, um sich zu entspannen, und ging auf und ab. Herrlich, ohne Schuhe zu gehen, nur mit den Füßen, ganz flach, ein bisschen schwerfällig, herrlich, die Zehen zu bewegen und nicht mehr die ganze Zeit erhaben und Kleopatra und gefährlich vor Schönheit zu sein. Toll, und jetzt etwas essen! »Denn, Liebling, es tut mir leid, aber ich sterbe vor Hunger. Immerhin habe ich einen Körper. Das wissen Sie übrigens sehr gut«, sagte sie lächelnd und ging ganz ungeniert hinaus.
In der Küche öffnete sie den Kühlschrank. Rhabarbertorte? Nein, das ist gut für die Pickelhäutigen in den vegetarischen Restaurants. Proteine,
ventresaint-gris!
, wie Corisande d’Auble, die
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