Die Schöne des Herrn (German Edition)
schlimme Nachricht. (Schweigen.) Nur die Ankündigung eines Besuchs in ein paar Tagen.«
»Ach so, sehr gut, umso besser, denn ich hatte mir gedacht, Monsieur Adrien ist vielleicht was Unangenehmes zugestoßen, und das hätte Ihnen Kummer gemacht, weil Sie sind so schnell weggegangen. Und dieser Besuch, ist das eine Dame?«
»Nein.«
»Dann vielleicht ein Herr?«
»Ein Freund von Monsieur. Und übrigens auch von mir.«
»Aha, natürlich«, sagte Mariette und fegte seelenruhig weiter. »Schade, dass Monsieur Adrien auf Reisen ist, er hätte sich sicher gefreut, seinen Freund zu sehen. Nun ja, Sie werden ihn an seiner Stelle empfangen, das ist doch eine schöne Abwechslung. Ein Freund von Ihrem Mann, das ist nett, das macht Freude. Und wie ich sehe, sind Sie sehr glücklich.«
»Ja, in der Tat. Ich habe ihn lange nicht gesehen, und natürlich freue ich mich, ihn wiederzusehen, ich muss sogar sagen, ich freue mich sehr. Er ist mir sehr sympathisch.«
»Natürlich, Sympathie braucht man im Leben. Die Natur will das so. Die Sympathie ist der Reiz des Lebens. Und es vertreibt Ihnen ja auch die Zeit, ein bisschen Unterhaltung, das ist allemal besser, als allein im Bett zu liegen und nachzudenken. Nur schade, dass Monsieur Adrien verreist ist. Jedenfalls werde ich überall gründlich sauber machen, Sie werden sehen.«
»Danke, Mariette. Es wäre mir wirklich lieb, wenn alles tadellos ist. Übrigens habe ich auf dem Nachhauseweg bei Gentet vorbeigeschaut. Die Arbeiter kommen, um die Decken und Holztäfelungen neu zu streichen.«
»Überall?«
»Nein, nur im Vestibül und in meinem kleinen Salon.«
»Also die Hauptsache sozusagen. Aber sagen Sie mal, Madame Ariane, Sie könnten doch bei der Gelegenheit auch gleich Ihr Schlafzimmer streichen lassen, das hat es nötig, finden Sie nicht?«
»Vielleicht, ich werde sehen.«
»Diese Pinselfritzen werden mir eine schöne Schweinerei auf dem Boden machen. Na ja, wenn sie erst weg sind, mach ich tipptopp sauber, dass alles tadellos ist. Und dieser Monsieur, ist er hübsch?«
»Warum diese Frage?«
»Ach, nur so, reine Neugier, weil ich freu mich ja auch, ihn zu sehen, das ist mal ’ne Abwechslung, und da ist es mir natürlich lieber, wenn er hübsch ist, weil ich hab Freude dran.«
»Er sieht nicht schlecht aus«, sagte Ariane lächelnd. »Er ist vor allem intelligent und kultiviert. Ich unterhalte mich gern mit ihm.«
»Natürlich, Unterhaltung ist was Wunderbares, besonders wenn Sympathie dabei ist. Ich finde, man soll das Leben genießen, weil wenn man alt ist, ist es vorbei, und wenn ich mal krank werd, werd ich zur Schwester im Krankenhaus sagen, sie soll mir ordentlich eins mit der Karaffe über den Kopf geben, dass Schluss ist, und es macht mir auch nichts aus, wenn ich nicht begraben werde. Sie sollen mich ruhig auf den Müll schmeißen, wenn sie wollen! Da geb ich mein Geld lieber für ein Vergnügen aus, Kino oder Kirschtorte mit Pistazien, weil wozu soll man mit meinem Geld eine Kiste kaufen, wo ich dann nicht mal mehr weiß, dass ich drin lieg. (Sie fegte energisch.) Lassen Sie nur, sollen sie mich ruhig wegfegen, wenn ich tot bin, sollen sie sie die Treppe runterschmeißen, die Mariette, und in die Gosse werfen! Und was macht Ihr Monsieur? Wohl auch mit Schriftsachen beschäftigt, denke ich?«
»Er ist einer der Direktoren des Völkerbundes«, sagte Ariane und beendete den Satz mit einem gespielten Gähnen.
»Dann muss er allerdings was können«, sagte Mariette. »Also der Chef von Monsieur Adrien. Ein Grund mehr, die Wände neu zu streichen, dass alles hübsch ist, wenn er kommt. Monsieur Adrien wird sich bestimmt freuen, dass Sie seinen Chef gebührend empfangen. Mit den Chefs muss man sich immer gut stellen. Ach, es schlägt zwölf. Soll ich das Mittagessen um eins servieren?«
»Nein, jetzt gleich, ich habe Hunger.«
»Das ist die frische Luft, es hat Ihnen gut getan, ein bisschen rauszukommen. Und was werden Sie anziehen, wenn dieser Monsieur kommt, weil Sie wollen doch sicher Eindruck machen, wo er eine so hohe Persönlichkeit ist?«
»Keine Ahnung, aber jetzt nehme ich schnell noch ein Bad, decken Sie inzwischen den Tisch, ich sterbe vor Hunger«, sagte Ariane, drehte sich mit einem plötzlichen Schwung ihres Kleides um und ging hinaus, und als sie auf der Treppe war, stimmte sie aus voller Kehle die Arie aus der Pfingstkantate an.
Worauf die kleine Alte ihre Röcke schürzte, in deren mit Sicherheitsnadeln verschlossenen Taschen sie ihr
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