Die Schöne des Herrn (German Edition)
das, was seine Beziehungen aus ihm machen! Eiligst eine Villa mieten, mit Köchin und Diener, der auch Oberkellner ist! Jeden Tag einflussreiche Gäste zum Mittag- und Abendessen, das ist das Geheimnis des Erfolges! Der Oberkellner serviert in weißen Handschuhen! Ausgaben dieser Art lohnen sich! Exquisite Küche, auch das lohnt sich! Man isst sehr gut bei den Deumes! Die Wand zwischen zwei Zimmern einreißen lassen, um einen riesigen Salon zu haben, das macht Eindruck! Und mitten im Salon ein Konzertflügel, als Ausdruck des hohen Lebensstandards! Und einmal in der Woche Bridge! Mit Bridge schafft man sich nicht nur Beziehungen, sondern man erhält sie sich auch! Und ein luxuriös eingerichtetes Gästezimmer! Bei jeder Generalversammlung, bei jeder Zusammenkunft des Rates den wichtigsten belgischen Delegierten zu sich nach Hause einladen! Angenehmer als im Hotel, mein lieber Herr Gesandter! Und eines Abends nach dem Essen geht man im Garten spazieren und vertraut ihm mit sanfter und betrübter Stimme im Mondschein an, mein lieber Gesandter und Freund, jetzt stehe ich seit X Jahren auf der höchsten A-Stufe. Dann ein Seufzer, sonst nichts. Und dank der gemeinsamen und koordinierten Protektion des ersten belgischen Delegierten und des U.G.S. wird der kleine Adrien plötzlich zum Rat oder gar zum Abteilungsleiter ernannt!
Die Serviererin war eingetreten, um das Teetablett zu holen, und er neckte sie galant wegen ihrer Dauerwelle. Dann entschuldigte er sich bei Ariane, er müsse einen Moment fort, ging hinaus und strahlte immer noch bei dem Gedanken an die zukünftigen Cocktailempfänge, die darauffolgenden Einladungen und die nützlichen belgischen Delegierten, die in seinem Gästezimmer schliefen. Auf dem Flur beschleunigte er seine Schritte. Am liebsten wäre er gerannt, hätte geschrien und leidenschaftliche Küsse auf seine Hände gedrückt. Vor Freude halb verrückt, unterdrückte er seine Jubelschreie und betete sich an. »O mein Adrien, o mein Schatz, ich bete dich an«, murmelte er.
»Auf die Schulter geklopft, auf die Schulter geklopft!«, rief er, als er in den leeren Toilettenraum trat, »Adrien Deume, der Sieger!«, trompetete er vor dem ständig wassergespülten Pissoir.
Zu seiner Frau zurückgekehrt, setzte er sich feierlich, verschränkte die Hände hinter dem Nacken, legte die Füße auf den Rand des Schreibtisches und wippte erneut in seinem Sessel wie van Vries, während er sich bemühte, ebenso gleichgültig dreinzuschauen wie der Untergeneralsekretär. Aber dann fiel ihm gleich wieder Vauvau ein, der plötzlich hereinschneien könnte, er nahm die Füße vom Tisch und setzte sich aufrecht in seinen Sessel. Um den Verlust seiner lässigen Haltung auszugleichen, schob er wie der italienische Diktator Unterlippe und Kinn vor und machte seinen Nacken steif.
»Sag mal, wenn ich’s mir recht überlege, finde ich, wir könnten ihn auch direkt zum Abendessen oder wenigstens zum Mittagessen einladen, ohne vorherigen Cocktailempfang, wo er mir doch auf die Schulter geklopft hat, verstehst du? Das ist doch netter als ein Cocktailempfang. Lieber zum Diner, dann hat man nach dem Essen mehr Zeit für ein Gespräch. Ich könnte mir recht gut ein Diner bei Kerzenlicht vorstellen, wie bei Kanakis, das hat mehr Klasse. Übrigens müssten wir nachsehen, ob wir auch alles haben, was nötig ist, Geschirr, Teller, Messer, Gabel, Gläser verschiedener Größe, Tischdecken, Servietten und so weiter. Denn es muss alles tipptopp sein, er ist nur das Beste gewöhnt, verstehst du? (Er widerstand der Lust, sich mit dem Zeigefinger in der Nase zu bohren, und begnügte sich mit einem Streicheln der Nasenlöcher.) Im Grunde genommen ist dieser Hitler eigentlich ein Rohling, finde ich, er treibt es wirklich zu bunt mit diesen armen Israeliten, die ja schließlich auch Menschen sind wie alle anderen, mit Schwächen und Stärken. Und Einstein ist doch ein Genie! Aber um auf das Essen zurückzukommen, gesetzt den Fall, wir laden den U.G.S. zum Diner oder Lunch ein, dann müssen wir uns wegen des Tischtuchs entscheiden. Ich frage mich, ob wir nicht lieber auf das Tischtuch verzichten sollten, denn ich habe den Eindruck, dass das bei den großen Diners nicht mehr Usus ist. Du wirst mir sagen, bei den Kanakis gibt es immer ein Tischtuch, aber gerade das hat mir den Floh ins Ohr gesetzt, denn in
Art et Décoration
, du weißt ja, diese Hochglanzzeitschrift, die ich hier beim Pressedienst abonnieren ließ, habe ich Fotos von ganz
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