Die Schöne des Herrn (German Edition)
glaubte. Wieder zu Boden gesetzt, eilte er davon, und um seiner Begeisterung freien Lauf zu lassen, begann er eifrig wie ein Zirkuspony im Kreise herumzulaufen, während die weiße Reiterin, gefolgt von dem Janitscharen, einen Freudenschrei ausstieß, der so laut war, dass er fast wie ein Schreckensschrei klang, ein langes Aufjauchzen, ein Hohelied der Jugend, wobei sie die Zügel losließ und die Arme ausbreitete, und dann verschwand sie in den Schatten der Nacht.
Salomon jedoch galoppierte noch immer herum und schrie seinen Stolz hinaus. Ihn hatte sie geküsst, nicht die anderen! Sie wussten ja nicht, diese Dummköpfe, dass er seinen Coup seit einer Stunde vorbereitet, sich das hübsche Gedicht ausgedacht und sorgfältig die Silben an seinen Fingern abgezählt hatte! Mit erhobenen Armen hüpfte er fröhlich auf seinen Beinchen herum und kreischte bis zur Erschöpfung, dass Salomon der Sieger war, dass Salomon geküsst worden war, während Eisenbeißer sich weigerte, den lässig über die Schultern gelegten Hermelinmantel an Mattathias zu verkaufen, und sich die Möglichkeit einer Schadenersatzmaßnahme gegen Michael wegen Beinstellens überlegte.
»Hast du gesehen, Eisenbeißer?«, fragte Salomon, der sich etwas beruhigt hatte. »Geküsst hat sie mich!«
»Wie ein dreijähriges Kind, ich an deiner Stelle würde mich schämen«, sagte Eisenbeißer.
Worauf er, plötzlich gleichfalls von Liebe entflammt, den Hermelinmantel von seinen Schultern nahm und ihn mit vor Leidenschaft weit aufgerissenen Augen küsste. Er flüsterte ihm zärtliche Worte zu, versicherte ihm, er würde drei hübsche Mäntelchen für die kleinen Jungen aus ihm machen, drückte ihn an sich und tanzte einen Walzer mit ihm, wobei er seine großen Füße wild in alle Richtungen schleuderte. Im Mondenschein und unter den erstaunten Blicken seiner Cousins wirbelte er noch lange mit dem weißen Pelz im Kreis herum, mit fliegenden Rockschößen, drehte sich und hüpfte anmutig und schlug die nackten Füße zusammen.
LXXVIII
Er erwachte um sieben, räkelte sich und lächelte zufrieden, endlich wieder daheim zu sein, in seinem guten Bett, das so viel bequemer als die Hotelbetten war, ein Freund und Garant von Sauberkeit.
Home, sweet home again.
Und ganz in der Nähe, nur ein paar Meter entfernt, seine Frau! Seine Frau, Donnerwetter! Bald würde er sie sehen, und dann würden sie miteinander plaudern wie Freunde. Ja, er würde ihr noch mehr von seiner Dienstreise erzählen.
»Das hättest du mal sehen sollen, mein Alter, wie sie sich dafür interessiert hat, ständig Zwischenfragen betreffs meiner Unterredungen, vor allem mit dem Hochkommissar, einem Feldmarschall, mein Alter, so was sieht man nicht alle Tage, hm? Und als ich ihr erzählte, dass ich meinen Roman über Don Juan begonnen habe, also während meiner Dienstreise, schon drei Kapitel, vierzig Seiten insgesamt, wollte sie unbedingt, dass ich es ihr vorlese. Da hättest du uns mal sehen sollen, mein Alter, ich beim Vorlesen im seidenen Schlafrock, weil ich mir nämlich zuerst meinen Schlafrock angezogen habe, einen Schlafrock von Sulka, mein lieber Vermeylen, in Paris gekauft, Rue de Castiglione, etwas Besseres gibt es nicht, weißt du, du hättest mich sehen sollen, mein Alter, wie ich da in meinem todschicken Schlafrock vorgelesen habe, ganz lässig, weißt du, der große Schriftsteller, und sie hing voller Ehrfurcht an meinen Lippen, ganz begeistert, ganz bei der Sache, verstehst du. Ach, mein Alter, die Ehe ist doch das einzig Wahre. (Er gähnte mehrere Male und sang leise sein
Home, sweet home again
.) Sag mal, Rianounette, zweihundert Kilo Dokumentation, kannst du dir das vorstellen? Ich muss es so einrichten, dass Herr Solal es erfährt. Weißt du, was ich tun werde? Ich werde meinem Bericht eine vollständige Aufzählung all dessen beifügen, was ich an Dokumentationsmaterial mitbringe, und das wird Seiten und Seiten mit einfachem Zeilenabstand füllen. Natürlich wird er das nicht alles lesen, aber die schiere Quantität wird ihn beeindrucken. Selbstverständlich wurde die gesamte Dokumentation direkt an das Sekretariat geschickt, aber wenn es dich interessiert, kannst du ja mal ins Palais kommen, und dann zeige ich dir alles. Übrigens habe ich einen Haufen Fotos mitgebracht, Volkstänze zu meinen Ehren, und ich mit hohen Funktionären, das zeige ich dir noch. Es ist eins aus Paris dabei, wo ein Direktor des Kolonialministeriums sich ganz freundschaftlich bei mir eingehakt hat,
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