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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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obwohl er ein hohes Tier ist, hm, ein toller Kerl, der bald zum Generaldirektor ernannt werden wird, ich werde es dir zeigen, das wird dich interessieren, ich muss allerdings sagen, dass wir beide ein bisschen beschwipst waren nach diesem Mittagessen bei Lapérouse. Ich werde all diese Fotos in ein eigenes Album einkleben, und darunter mit weißer Tinte die Bildlegende und das Datum,
of course
. Na, haben sie dir gefallen, meine drei Kapitel? Und weißt du, falls du etwas auszusetzen hast, genier dich nicht, es würde mich sogar interessieren, ich bin schließlich nicht unfehlbar. Vierzig Seiten, das ist schon was, hm? Es bleiben mir noch etwa zweihundert zu schreiben. Vierzigtausend Worte, habe ich kalkuliert. Vierzigtausend Worte sind die richtige Länge für einen Roman, finde ich, nicht zu viel und nicht zu wenig. Der Titel wird
Juan
sein, zuerst hatte ich an
Don Juan
gedacht, aber dann schien mir,
Juan
wäre origineller, denn
Don Juan
ist schon so abgedroschen. Sag mal, je mehr ich es mir überlege, desto besser finde ich die Idee, Herrn Solal sobald wie möglich einzuladen, weil ich ihm dann von meiner Dienstreise erzählen kann. Ein Gespräch ist viel besser als ein Bericht, es ist lebendiger, und bei einem Bericht weiß man nie, ob er auch wirklich gelesen wird, während man bei einem Gespräch einfach zuhören muss. Einverstanden? Um auf meinen Roman zurückzukommen, weißt du, es hat mir besondere Freude gemacht, dass dir die Stelle über die vorweggenommene Verachtung so gefallen hat, und auch die, wo er über die Gründe seiner Verführungswut spricht. Das sind nämlich zwei Themen, die mir sehr am Herzen liegen, im Grunde beschäftigen sie mich schon seit langem. Ja, es macht mir wirklich Freude, denn weißt du, im Grunde schreibe ich ja für dich. Ja, ich glaube, dieser Roman wird mir den Durchbruch bringen. Was ich jetzt bräuchte, wäre meine Versetzung nach Paris in unser dortiges Büro. Mit einer großen Wohnung in einem vornehmen Viertel und vielen Einladungen würde ich mir eine Menge Beziehungen schaffen. Und vielleicht ist dann ein Literaturpreis drin, der Femina oder der Interallié, verstehst du? Alles, worauf es ankommt, ist, viele Leute kennenzulernen und sich Freunde zu machen. Und jetzt, mein lieber Vermeylen, werde ich aufstehen und ihr Tee machen. Aber aufgepasst, keinen Lärm machen, sie nicht wecken, bevor ich ihr den Tee bringe. Sie liebt ihren
morning tea
. (Er lächelte zart und verträumt.) Sie liebt alles, was englisch ist, sie hat in England allerlei Gewohnheiten angenommen. Drei Jahre in Oxford, mein Alter, in einem vornehmen College, nur für Mädchen der besten Gesellschaft. Da kann deine Frau wohl nicht mitreden, hm? Der
morning tea
, mein Alter, ich werde ich dir das mal erklären. Es ist eine Tasse Tee beim Erwachen, aber ich bringe ihn ihr in einer Teekanne, weil sie manchmal eine zweite Tasse möchte, und ich trinke auch eine mit, weil es mir Freude macht, ihn gemeinsam mit ihr zu trinken. Sehr starker Tee, ein bisschen Milch, kein Zucker, das ist die englische Art. Das Breakfast kommt später, nach dem Bad, das ist so üblich in den vornehmen Kreisen. Und schließlich ist sie nicht wie deine Frau, sie jammert nicht ständig über die hohen Lebenshaltungskosten oder stopft Socken. Nein, mein Alter, sie ist Liebreiz, sie ist Poesie. So, jetzt weißt du es. Allez hopp! Eins zwei drei, aufstehen!«
    Er ging behutsam die Treppe hinunter, vermied die knarrende Mitte der Stufen und ging nah am Geländer. Im Erdgeschoss angekommen, zwinkerte er seinem im Vestibül hängenden Regenmantel zu. Oh, zum Donnerwetter, jetzt fängt wieder das schöne Leben an! Er ging in die Küche, setzte den Kessel aufs Feuer, rieb sich die Hände und sang leise eine Mozartarie.

    Reich mir die Hand, mein Leben,
    Komm in mein Schloss mit mir …

    Jawohl, so ist es! Guten Morgen, Zuckerschnäuzchen. Gut geschlafen, mein Zuckerschnäuzchen, ausgeruht? Hier ist ein schöner Tee für mein Zuckerschnäuzchen! Er liebte es so, sie ihren Tee trinken zu sehen, noch ganz verschlafen, wie ein Baby. Und falls sie sich wohlfühlte und nach ihrem Tee nicht weiterschlafen wollte, würde er ihr einen Morgenspaziergang vorschlagen.
    »Sag mal, Rianounette, ich habe da eine
first class
Idee. Es ist herrliches Wetter, weißt du, was ich dir vorschlage? Du errätst es nicht? Also, ich schlage vor, dass wir den Vormittag nicht hier herumsitzen! Abfahrt um neun Uhr für einen Ausflug im Wagen, wir fahren nach Savoyen,

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