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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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geblieben, das war etwas Solides, das täuschte nicht. Zwanzig Franken für eine gerollte und entbeinte Lammschulter, das war übertrieben, da war der gute Mann entschieden zu weit gegangen. Er machte zwei Ausrufungszeichen auf die Fleischerrechnung und steckte den Bleistiftstummel ein. Sehr gut, die Lammschulter, zart, vielleicht ein bisschen zu fett. Er, er, er. Er hatte gut daran getan, Mariette gleich wegzuschicken, als sie geklingelt hatte. Sicher auch eine Komplizin, diese Alte.
    »Mich anziehen und ausgehen.«
    Ein Spaziergang und dann Mittagessen in der Stadt. Auf in den Kampf. Jawohl, ausgehen. Frescoanzug, blaue Krawatte. Wenn sie ihm die Krawatte gebunden hatte, hatte sie ihm danach immer einen kleinen Klaps auf die Wange gegeben. Und gestern Abend hatte sie den anderen erwartet. Und er, der Trottel, hatte ihr sein Manuskript vorgelesen! Für den anderen waren die frisch gestrichene Holztäfelung, der neue Teppich. Mindestens dreitausend Franken dieser Teppich. All diese Ausgaben für nichts und wieder nichts. Er hatte sie fast nie nackt gesehen, und wenn es einmal geschah, hatte sie sich sofort etwas umgelegt und gesagt, sie geniere sich. Aber mit dem anderen genierte sie sich nicht. Völlig nackt, und sie fasste ihn bestimmt an einer gewissen Stelle an und ekelte sich nicht.
    »Eine Nutte ist sie, weiter nichts.«
    Aber das stimmte nicht, sie war keine Nutte, sie war eine anständige Frau. Das war ja gerade das Schreckliche, eine anständige Frau, die sich dazu hergab, mit einem Mann Schweinereien zu treiben. Sollte er ein Taxi nehmen und zum Bahnhof fahren und fragen, auf welchem Bahnsteig der Neunuhrzug abfuhr? Vielleicht hätte sie Mitleid, wenn sie seinen guten Willen sähe, wenn er ihnen das Gepäck durchs Abteilfenster reichte. Nichts würde er ihr sagen, sie nur mit tränenfeuchten Augen anschauen, mit rührenden Augen, und dann würde sie vielleicht wieder aus dem Wagen steigen. Er flüsterte: »Adrien, mein Liebling, ich fahre nicht, ich komme zu dir zurück.«
    Aber nein, sie würde nicht zurückkommen. Der andere war bestimmt erfahren. Er war ein Liebhaber und machte sie bestimmt eifersüchtig. Während er, Adrien, immer aufrichtig zu ihr gewesen war. Nur ernsthafte Zuneigung und Zärtlichkeit und Aufmerksamkeiten. Und dafür hatte sie ihn bestraft. Ja, ernstgemeinte Zärtlichkeit, die Zärtlichkeit des betrogenen Ehemanns, die Aufmerksamkeiten des betrogenen Ehemanns. Er bohrte in der Nase vor Mariettes kleinem Spiegel, betrachtete seine Beute, rollte sie zu einem Kügelchen zusammen und warf sie fort. Was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Als betrogener Ehemann hatte er übrigens das Recht dazu. Hinaufgehen und diese nasse Hose ausziehen, in der ihm kalt wurde. In Florenz vielleicht, vielleicht im selben Hotel, im Hotel ihrer Hochzeitsreise, am Ufer des Arno. Vielleicht im selben Zimmer, und sie würde sich anfassen lassen, würde ihn ohne Ekel berühren. Er zog die Augenbrauen hoch. Er hatte immer solches Vertrauen zu ihr gehabt. Warum wollte sie ihm von dort schreiben? Um ihm zu sagen, wie oft sie seit ihrer Abreise ihre Schweinereien miteinander getrieben hatten? Sein Regenmantel hatte sie gerührt, aber er, er konnte krepieren, das war ihr scheißegal. Genug, genug.
    »Ich befehle dir, hinaufzugehen und dich anzuziehen.«
    In seinem Zimmer kniete er sich vor das zerwühlte Bett, bat Gott, sie ihm wiederzugeben, stand auf und betrachtete seine Hände. Natürlich, das Gebet würde nichts nutzen, das wusste er wohl. Er ging zum Nachttisch. Neben seiner Armbanduhr lächelte sie aus ihrem Altsilberrahmen. Er drehte das Foto um. Er hatte sich so gefreut, als er diesen Rahmen bei dem Antiquitätenhändler gefunden hatte. Schnell nach Hause, um ihn ihr zu zeigen und ihr Foto hineinzutun! Viertel nach acht. Er band die Uhr um sein Handgelenk. Wenn er wenigstens wüsste, wo sie jetzt war, er würde sie anrufen, sie inständig bitten, ihre Abreise hinauszuschieben, in aller Freundschaft mit ihr die Lage besprechen, er würde sie bitten zu warten, um zu sehen, ob sie wirklich nicht ohne diesen Mann leben konnte.
    »Liebling, warte doch, finde heraus, ob du wirklich nicht ohne ihn leben kannst.«
    Eben noch war ihm zu heiß gewesen, jetzt war ihm kalt. Er zog sich einen Mantel über den Pyjama. Oh, die Hose würde schnell trocknen, wegen der brauchte er sich nicht umzuziehen. Im Spiegel des Schranks fand er sich kläglich mit seinem Bart. Ein zu runder Kopf, der Kopf eines Ehemannes. Er

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