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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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öffnete die Nachttischschublade, griff nach der automatischen Pistole und las die eingravierte Inschrift. Fabrique nationale d’armes de guerre, Herstal, Belgique. Er ließ sie in die Manteltasche fallen. Sie hatte Angst gehabt, als er sie ihr eines Morgens beim
morning tea
gezeigt hatte. »Aber Liebes, es ist unentbehrlich, wenn man auf dem Land wohnt.« Daraufhin hatte sie ihm eingeschärft, ja aufzupassen, vorsichtig damit umzugehen. Damals hatte sie noch an ihm gehangen. Es war immer ein schöner Augenblick gewesen, der
morning tea
, die Tasse, die er ihr ans Bett brachte. Ein schöner Tee für das Zuckerschnäuzchen! Einmal, als er ihr den
morning tea
gebracht hatte, hatte sie ihm einfach so zugezwinkert, nur um ihm zu zeigen, dass sie Freunde waren, dass sie sich gut verstanden. Vor dem Spiegelschrank bat er sie mit gefalteten Händen zurückzukommen, erinnerte sich an das Lied auf einer alten Schallplatte von Papi und sang leise den Refrain, tief gerührt über die flehenden Worte: »Oh, komm zurück, denn ich leide unermesslich vor Sehnsucht nach dem verlorenen Glück, oh, komm, oh, komm zurück.«
    Ein wenig später fand er sich im Badezimmer wieder. Er hatte dieses Badezimmer extra für sie einrichten lassen. Viertausend Franken. Extra für sie, weil sie ein Bad neben ihrem Schlafzimmer hatte haben wollen. »Ich brauche
privacy
«, hatte sie gesagt. Immer diese Manie, englische Worte zu benutzen. All die Kleider und all die Zigaretten in der Badewanne, er würde niemals wissen, warum. Und doch war es etwas von ihr. Er würde auch nie wissen, was dieses zerrissene Kleid auf dem Fußboden ihres Zimmers zu bedeuten hatte, das grüne Kleid, das er ihr ausgerechnet in Florenz gekauft hatte. An jenem Morgen war das Wetter schön gewesen, und beim Verlassen des Hotels hatte sie ihm die Hand gegeben. Dieselbe Hand, die heute Abend im Bett. Dabei war sie, Herrgott nochmal, noch immer Frau Adrien Deume. Sie hatte kein moralisches Recht mehr auf ihren Pass. Und was würden die Leute im Hotel denken, wenn sie merkten, dass sie nicht den gleichen Namen wie dieser Kerl trug? Oh, er wusste sehr wohl, warum er in diesem Badezimmer war. Um ihre Sachen zu sehen, um mit ihr zu sein. Hier, das war ihre Zahnbürste. Er hielt sie sich an die Nase, um sie zu riechen, und widerstand der Versuchung, den Mund aufzumachen und sich damit die Zähne zu putzen.
    »Dabei kann sie mir gar nichts vorwerfen.«
    Wenn sie ihre Periode hatte, war nicht gut mit ihr auszukommen. An diesen Tagen gab er sich immer solche Mühe, ihr nicht zu widersprechen. »Nun ja, wenn du meinst, Liebling, ganz wie du willst, das kannst du am besten beurteilen. Hat mein Zuckerschnäuzchen große Schmerzen? Kann ich etwas für dich tun? Vielleicht solltest du ein Aspirin nehmen? Soll ich dir eine Wärmflasche machen?« Sie nannte das die Tage des Drachens. Sie war sehr geheimnisvoll an diesen Tagen und machte ihm ein wenig Angst. Er respektierte ihr Leiden, er hatte Mitleid. Dem Kerl war es bestimmt ganz egal, er würde sie nicht pflegen, er war ja ein Liebhaber. Ja, die Gummiwärmflaschen, die er ihr brachte, schön warm, und er ließ auch immer die Luft heraus, bevor er sie zuschraubte. »Hier, mein Liebes, das wird deinem Bauch wohltun.« Am vierten Tag war er dann froh, weil sie fast keine Schmerzen mehr hatte. Sie hatte es ihm bestimmt übel genommen, dass er sich an diesen Tagen so sehr um sie kümmerte. Es musste ihr auf die Nerven gegangen sein, seine ständige Fragerei, wo es ihr wehtue, ob es der Bauch oder der Kopf sei. Im Grunde hatte er es geahnt, aber er konnte eben nicht anders, als sich um sie zu sorgen. Der Kerl erkundigte sich bestimmt nicht nach ihrem Befinden, wenn sie in diesem Zustand war, und er nannte sie auch bestimmt nicht Zuckerschnäuzchen. Und deshalb respektierte sie ihn und liebte ihn. Während sie ihn, ihren Mann, verachtete, weil er die Krankenschwester spielte. Und vielleicht nahm sie es ihm auch übel, dass er von ihren Bauchschmerzen wusste. Eine Menge Dinge, die er nun plötzlich verstand. Ein schöner Trottel bin ich gewesen. Sie hatte es so eilig gehabt mit ihrer Abreise, dass sie ihre Zahnbürste, ihren Kamm und ihren Puder vergessen hatte. Sie würden das alles in Florenz in einer Apotheke kaufen und dabei Händchen halten. Früher hatte sie sich nie gepudert. Das war auch nur wegen dieses Kerls. Und jetzt die Klatschgeschichten im Sekretariat, die Blicke der Kollegen. Sicher groß, dieser Kerl. Wo hatte sie ihn nur

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