Die Schöne des Herrn (German Edition)
aufgegabelt?
Vor dem Waschtischspiegel nahm er den Kamm und zog sich sorgfältig einen Scheitel, den er sogleich wieder zerstörte. Zum Bahnhof gehen und sich mit ihm schlagen? Doch der Kerl wäre bestimmt stärker, würde ihm die Brille zerbrechen, und er würde sich lächerlich machen. Aber wenn sie ihn lächerlich fand, hatte sie vielleicht Mitleid und würde unmittelbar vor Abfahrt des Zuges aussteigen. Er kippte den Inhalt der Puderdose in die Badewanne und brach die Zahnbürste entzwei. »Degradiert wegen Hochverrats«, murmelte er. So, und jetzt hinunter.
In der Küche öffnete er die Fensterläden, um Mut hereinzulassen, nahm die Flasche, die der Milchmann auf das Fenstersims gestellt hatte, goss die Milch in einen Topf und zündete das Gas an. Als er ihr eines Tages Eiermilch gebracht hatte, weil sie hustete, hatte sie ihm gesagt, er sei ein Schatz, und er war ganz stolz darauf gewesen. Ein Schatz, aber betrogen. Alle betrogenen Ehemänner waren lieb. Alle lieben Männer waren Hahnreis. Ihrem Kerl sagte sie bestimmt nicht, er sei ein Schatz.
Er lehnte sich aus dem Fenster. Zwei Verliebte im Sonntagsstaat schweinigelten mit ihren Mündern und lachten. »Warte nur, du wirst auch bald Hörner tragen.« Er wandte sich ab, um sie nicht mehr zu sehen, bemerkte, dass die Milch übergelaufen war, drehte das Gas ab und leerte den Topf langsam in den Spülstein. Sie hatte den Knopf an seinem Regenmantel angenäht und war dann zu den Küssen und dem Übrigen geeilt. Ganz stolz, ihm den Knopf angenäht zu haben. Aber wenn ihm morgen ein anderer Knopf abriss, konnte er sehen, wo er blieb.
Vor dem Spülstein seifte er sich die Hände ein, um das Unglück abzuwaschen, um alles neu zu beginnen. Morgen Montag Wiederaufnahme der Arbeit, den Bericht über die Dienstreise diktieren, sich in ein gutes Licht setzen, wieder Kontakt mit dem U.G.S. aufnehmen. Von jetzt an nur noch Ehrgeiz, jawohl. Er griff nach einer Nuss in der Obstschale, knackte sie mit den Zähnen und ging hinaus. Im Vestibül blieb er vor seinem Regenmantel stehen, zerrte am mittleren Knopf und riss ihn ab.
»Jetzt hinauf und ein Bad nehmen.«
Doch stattdessen trat er bei ihr ein, nachdem er an die Tür geklopft hatte. Das war also das Zimmer, in dem sie miteinander geplaudert hatten, wohin er ihr den Tee gebracht hatte. Auf dem Boden das grüne Kleid, die Teekanne, die beiden Tassen, Bindfäden, Schuhe und der dicke Plüschbär, der die Beine in die Luft streckte. Patrice nannte sie ihn. Manchmal, wenn er ihr den Tee gebracht hatte, hatte sie Patrice im Arm gehalten, hatte mit ihm geschlafen. Und all diese Schuhe ohne Schuhspanner. Wie oft hatte er ihr gesagt, man müsse Spanner in die Schuhe tun. Und auch die Sonnenbrille auf dem Boden. Wenn sie sie getragen hatte, hatte sie wie ein Filmstar inkognito ausgesehen, und er war ganz stolz gewesen. Auf dem Nachttisch ein weiterer ganz kleiner Teddybär mit Stiefeln. Den kannte er nicht.
Über dem Sessel ihr Kleid von gestern Abend. Er breitete es aus und ordnete die Falten. Sie hätte ihm alles sagen sollen, Vertrauen zu ihm haben sollen. Er hätte es ja zugelassen, dass sie den anderen weiterhin sähe, aber wenigstens wäre sie hiergeblieben, bei ihm, er hätte sie jeden Tag gesehen, sie hätte ihre Mahlzeiten zu Hause eingenommen, na ja, fast alle Mahlzeiten, er hätte sie am Abend gesehen, wenn er von der Arbeit zurückkam, na ja, fast jeden Abend, denn manchmal, klar, aber niemand hätte es gewusst, nur sie drei. Er streichelte das Kleid und sprach zu ihm.
»Liebling, ich hätte alles für dich arrangiert.«
Vier Minuten vor neun. Er öffnete die Fensterläden, lehnte sich hinaus. Die Straße war menschenleer. Kein Auto, das sie zu ihm zurückbrachte. Er drehte sich um, versetzte einem der Schuhe einen leichten Tritt, hob einen Bindfaden auf und kehrte ans Fenster zurück. Drei Minuten vor neun. Jetzt saßen sie schon in ihrem Abteil, die Koffer über ihren Köpfen. Luxuskoffer. Sie mit Handschuhen, elegant, glücklich, ganz dicht neben dem Kerl.
Er stand am Fenster und fingerte an seinem Bindfaden herum. Drehte und wendete ihn, verknotete und entknotete ihn, zerrte ruckartig daran und blickte abwechselnd auf die verlassene Straße und den öden Himmel. Im ersten Stock schlug es neun. Der Zug war abgefahren, trug sie für immer von ihm fort. Verloren, er war verloren.
»Verloren, verlüren, verleren, verluren«, murmelte er und zerrte an seinem Bindfaden, murmelte er und versuchte seinen Bindfaden
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