Die Schöne des Herrn (German Edition)
innerlich getragen. Große Saugfähigkeit.« Jedenfalls würde der Kerl ihr keine Wärmflaschen machen. »Der sexyeste Büstenhalter, mit formbeständigen Bügeln, der die Brust auf wunderbare Weise größer wirken lässt, der einzige echte tief ausgeschnittene Form-BH, auch für die kleinsten Brüste, macht Sie zur begehrtesten Frau.« Schlampen, sie hatten nichts anderes im Kopf.
»Ich bin zu nett gewesen, das war mein Untergang.«
Oh, hin und wieder hatte er es geahnt und dann den starken Mann gespielt, aber das hatte nie lange gedauert, er konnte eben nicht anders und hatte es wieder vergessen. Er war schwach, das war es, das war die Quelle allen Übels. Manchmal, wenn sie sich unmöglich aufführte, war er böse geworden, aber gleich darauf hatte er sie um Verzeihung gebeten, und am nächsten Tag war er mit Geschenken angekommen. Und die Geschenke aus Syrien und Palästina, die er ihr mitgebracht hatte, was sollte er jetzt damit anfangen? Manche Leute hatten wirklich Glück und waren immer stark, ohne etwas dazuzutun, ohne es zu wollen. Im Restaurant zum Beispiel kam der Kellner nie, wenn er ihn rief, er musste ihn immer mehrmals rufen, aber war das seine Schuld? War es seine Schuld, dass er sich schnell einschüchtern ließ, dass er Angst hatte zu missfallen, dass er lächelte, wenn ein Vorgesetzter ihn anredete? Das hatte mit den Hormonen zu tun. Er hatte schlecht funktionierende Drüsen, sie hatte es ihn teuer bezahlen lassen. Mit einer drohenden Gebärde hob er die Hand mit der Knoblauchwurst zur Decke.
»Kein Gott, es gibt keinen Gott.«
Aufgegessen die Wurst. Man müsste ständig essen können, damit es weniger wehtat. Widerlicher Knoblauchgeschmack im Mund. Er wischte sich die fettige Hand an der Pyjamajacke ab. Schmutzig zu sein war eine Rache. Überall eng anliegend dieses Kleid. Ihr Hintern, jetzt hatte der Kerl seinen Spaß daran. So weit war es mit ihm gekommen, er hatte die Gedanken eines Dreckskerls. Das Unglück macht einen dreckig. Schön, dann war er eben ein Dreckskerl, ein Knoblauchwurstfresser. Und das für Gott. Er zog ein weiteres Stück Toilettenpapier heraus, legte es auf seinen Kamm, die Harmonika seiner Kindheit, und summte die Arie »Reich mir die Hand« gegen das zitternde Papier. »Reich mir die Hand, mein Leben, komm auf mein Schloss mit mir.« Er hielt inne, fuhr sich mit dem Kamm durch das Haar, kämmte es nach vorne, dann wieder nach hinten, und begann aufs neue.
So saß er auf dem Thron der Einsamen, kämmte sein Haar und zerzauste es wieder. Manchmal ringelte er es zur Abwechslung zwischen Daumen und Zeigefinger, machte eine Art Knoten, den er fest zuzog und dann plötzlich mit Hilfe des Kamms wieder löste, wollüstig das Ausreißen von Haaren, die Selbstverstümmelung genießend. Oder er öffnete seine Jacke und fuhr sich mit dem Kamm über das Brusthaar, während er aufs Geratewohl in Papis Buch las, das auf seinen Knien lag, ohne auch nur ein Wort von den verschiedenen Methoden zur Fleckentfernung zu verstehen. Aber das Lesen war eine zusätzliche Wärmedecke für das Unglück. Dann wandte er sich wieder seinen Haaren zu.
Immer noch mit dem Kamm vorwärts und rückwärts harkend, las er und formte jedes Wort mit den Lippen nach, um sich ganz davon durchdringen zu lassen und es dadurch zu verstehen. Sie war ganz verrückt nach Schlagsahne, und wenn keine mehr übrig war, kratzte sie den leeren Teller mit dem Löffel aus, wie ein kleines Mädchen. Würde der Kerl das auch bemerken, würde er es zu schätzen wissen? Er stand auf, mit nacktem Hintern, und zog ein weiteres Mal ohne Notwendigkeit an der Kette, nur um die Stille des Hauses zu füllen, um ein Geräusch der Wirklichkeit zu vernehmen, um nicht allein zu sein.
Während der Spülungskasten sich füllte, setzte er sich wieder und nahm beschämt seine manische Tätigkeit wieder auf. Und wenn schon, das Zerren an seinem Haar war seine einzige Freude. Man braucht ein bisschen Freude, um das Unglück zu ertragen, um weiterzuleben, das wusste er jetzt, egal, welche Art von Freude, selbst die kleinste, selbst die idiotischste. Und wenn er sein Haar kämmte, es ringelte und wickelte und sich ausriss, war er weniger allein. Er unterhielt sich mit seinem Haar. Er hatte eine Beziehung zu seinem Haar. Sein Haar leistete ihm Gesellschaft.
So saß er und quälte seine Haare, seine Unglücksgefährten, und grübelte über sein verlorenes Glück nach. Der
morning tea
, den er ihr sonntags ans Bett brachte. Er trat glücklich
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