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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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dieses traumtötende Tosen.
    Rasiert und gebadet und im Schlafrock rief er sie später an und fragte, ob er kommen könne. »In ein paar Minuten«, antwortete sie. Frisiert und gebadet, im weißen Negligé, öffnete sie das Fenster im Badezimmer, um zu lüften, schloss die Tür wieder, überprüfte ein letztes Mal das Gesicht der Geliebten, fand es schön, war stolz auf die Ringe unter ihren Augen, zupfte sich noch einmal die Stirnlocke zurecht und rief ihn an, sie sei jetzt bereit. Er trat ein, und sie fanden es wundervoll, sich gegenseitig zu betrachten, Halbgötter in ihren poetischen und frisch gewaschenen Liebespriestergewändern.
    Alle äußeren Spuren der Liebe verbergend, klingelte sie dem Oberkellner, der kurz darauf mit einem großen Tablett erschien. Und es folgte das Scherzo des Frühstücks, das man lächelnd einnahm, mit einem Riesenappetit und dem grenzenlosen Wunsch, dem Geliebten zu gefallen, dessen Toast sie mit Butter bestrich. Wenn der Oberkellner auf ein erneutes Klingeln zurückkam, um das Tablett zu holen, schlugen die beiden die Augen nieder, er aus Scham, von einem Bedauernswerten bedient zu werden, der schon am frühen Morgen einen Frack tragen musste, und sie, weil es ihr peinlich war, dass ihr Negligé so viel von ihr sehen ließ. Sie schlug die Augen nieder, um nicht gesehen zu werden.
    Kaum hatte sich die Tür wieder geschlossen, zog sie die Vorhänge zu, und nun folgte das Allegro der Rückkehr ins Bett, der erneuten Küsse, des vagabundierenden Geplauders, der Kindheitserinnerungen. Man hatte sich so viel zu erzählen. Oh, wie sehr genossen sie die Augenblicke der Freundschaft ohne Begierde. Manchmal zeigte sie ihm mit sanft vorwurfsvollem Blick die eben noch verhüllten Spuren der Liebesnacht und verlangte als Abbitte zärtliche Küsse auf diese Orden der Liebe, die sie mit Stolz trug. Die für sie so interessante Fortsetzung kann man sich denken.
    Am Ende des Vormittags klingelte sie dem Zimmermädchen, schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und bat es, ihre Zimmer zu machen. Nach einem erneuten zähneblitzenden Beweis von Nächstenliebe der alten Dienstmagd gegenüber, die ein paar Monate später an chronischer Herzmuskelentzündung sterben sollte, traf sie sich mit Solal, der sie vor dem Hotel erwartete. Dann gingen sie zum nahen Strand, herausfordernd und schön in ihren Bademänteln und den Spießbürgern, die sie anstarrten, keinerlei Beachtung schenkend.
    Am Meer angekommen, ließ sie ihren Bademantel fallen, lief, glücklich, von ihm bewundert zu werden, eine flinke Nymphe, über den leuchtenden, weichen Sand, mit ausgebreiteten Armen, um den Wind besser auf ihrer Haut zu spüren, stürzte sich in die Fluten und rief ihn. Sie schwammen nebeneinander, tollten und balgten sich manchmal so sehr, dass sie sich in ihre Kindheit zurückversetzt fühlte, und sie lachte, lachte so ungehemmt, dass ihr das Salzwasser in die Nase drang. Dann entfernte sie sich rasch, damit er nicht sähe, wie sie sich mit den Fingern schnäuzte, kehrte wieder zu ihm zurück, und sie schwammen um die Wette oder tauchten. Wenn sie von ihren Spielen genug hatten, sonnten sie sich am jetzt menschenleeren Strand. Und danach die Duschkabine, das wohlige Rieseln des Wassers über ihre hochgewachsenen Körper, die sich manchmal bewegten und umschlangen.
    Gegen zwei kehrten sie ins Hotel zurück und ließen sich das Mittagessen in ihrem Salon servieren, denn sie gingen nicht gern ins Restaurant hinunter, wo man den Hotelgästen begegnete. Sie saßen an der offenen Balkontür, blickten auf das gleißende Meer hinaus und lachten über Kleinigkeiten, weil ein Vögelchen auf dem Balkon aufgehört hatte zu picken und sie mit zur Seite geneigtem Kopf und staunend aufgerissenem Schnabel anschaute oder weil sie bei den endlich servierten Vorspeisen verkündete, sie habe einen kolossalen Hunger. Er bewunderte, wie sie kräftig zulangte und trotzdem manierlich aß, mit wohlerzogen geschlossenem Mund, ohne sich jedoch zu genieren, ihren Appetit einer gesunden Frau zu befriedigen, der noch so manch zärtlichen Zweikampf verhieß.
    Der Ellbogen der Geliebten suchte jedes Mal zärtlich den Ellbogen des Geliebten und sprach ihm von ihrer Liebe, wenn der Oberkellner eintrat, der nichts dagegen zu haben schien, sie noch zu so später Stunde bedienen zu müssen. Sie fand diese Diensteifrigkeit bezaubernd und sah darin undeutlich das Versprechen eines Lebens im Glück. Entzückt schrieb sie diese Ergebenheit dem Charme ihres

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