Die Schöne des Herrn (German Edition)
Höchstnote zu geben. Wozu eigentlich ein Abendkleid?, dachte er. Für welchen Empfang, für welches Galadiner, für welchen Ball?
Man wandte sich den anderen Kleidern zu, und sie diskutierte lebhaft, ohne zu ahnen, wie leid sie ihm tat, weil sie so leicht auf seinen kleinen Trick hereingefallen war. Als sie zwischen einer Siebzehn oder Achtzehn für den rubinroten Cardigan zögerte, hätte er ihr am liebsten einen Kuss auf die Wange gegeben. Doch nein, sie waren ja Liebende und zu den Lippen verdammt.
Als alle Noten verteilt waren, schlug sie einen Spaziergang am Meer vor. »Das Meer, das Meer, ein immer neues Schenken«, zitierte sie, um ihm zu gefallen. Wenig empfänglich für derartige Feinsinnigkeiten, lächelte er beifällig und sagte, er habe Kopfschmerzen. Sofort bot sie ihm Aspirin an und erhob sich, um welches zu holen. Er lehnte ab, sagte, er würde sich lieber ein oder zwei Stunden ausruhen, und bat sie, inzwischen nach Saint-Raphaël zu fahren, um ein paar Platten zu besorgen. Er habe Lust, sich die Brandenburgischen Konzerte anzuhören.
»Oh, die liebe ich!«, sagte sie und erhob sich erneut. »Aber ich werde nach Cannes fahren, um sicher zu sein, alle sechs zu finden. Ich habe gerade noch Zeit, in ein paar Minuten geht ein Zug.«
Er stand auf und schämte sich, weil er sie wegschickte, denn sie war ja ganz unschuldig und freute sich so sehr, nützlich sein zu können. Tja, er würde es abbüßen, wenn er sich diese Konzerte anhörte. Um ihr etwas Glück für die Zugfahrt mitzugeben, sagte er ihr im Brustton der Überzeugung, ihre Vereinigung vorhin im Zimmer sei wunderschön gewesen. Sie blickte ihn feierlich an, küsste ihm die Hand, und das Mitleid, das er empfand, bereitete ihm körperlichen Schmerz, so dass er nach einer weiteren kleinen Freude suchte, etwas, worauf sie sich freuen konnte, ein kleines Ziel für die Rückfahrt.
»Heute Abend möchte ich, dass du noch einmal die neuen Kleider vor mir anprobierst, du siehst so herrlich darin aus.«
Überwältigt von Dankbarkeit, blickte sie ihn an, atmete tief ein, fühlte sich neu belebt von seiner Bewunderung, sagte, sie müsse sich beeilen, um den Zug nicht zu verpassen, und eilte davon. Er blickte ihr nach, wie sie gutgläubig davonrannte, die Bedauernswerte, um ein paar völlig überflüssige Schallplatten für ihn zu besorgen. Aber immerhin hatte er ihr eine Beschäftigung gegeben. Heute Abend nach der Anprobe der Kleider würde er sich etwas Neues einfallen lassen müssen. Heute Morgen war sie enttäuscht gewesen, als Forbes sie angerufen hatte, um die Tennispartie abzusagen. Sie hatte sich so gefreut und ihre neuen Shorts angezogen. War die Forbes wirklich ganz plötzlich krank geworden?
Er setzte sich, trank einen Schluck lauwarmen Tee und schaute auf die Uhr. Jetzt saß sie im Zug, dachte an ihn und war glücklich, ihm neue Platten mitbringen zu können. Heute Abend ganz begeistert sein, wenn sie die neuen Kleider anprobiert.
Stimmengeräusch. Er drückte die Zigarette aus, blickte durch den Spalt der zugezogenen Vorhänge und erkannte die rothaarige Engländerin, die Forbes, die sich bester Gesundheit erfreute und eine große magere Fünfzigerin hofierte, die ein gewaltiges Kinn hatte und mit der sie sich kurze Zeit später auf das Korbsofa am Fenster setzte. Er rückte näher.
Aber ja, rief Mrs. Forbes, sie kenne Alexandre de Sabran sehr gut, er habe ihr so oft von seinem Onkel, dem Obersten, Militärattaché in Bern, erzählt! Wie klein die Welt doch sei! Nie hätte sie gedacht, dass sie ausgerechnet in Agay der Tante des lieben Alexandre begegnen würde, den sie so oft in Rom gesehen habe, den sie so furchtbar gern habe und der für sie und ihren Mann einfach Sascha dear sei, ein so lieber und netter junger Mann, den der Botschafter übrigens sehr schätze, das habe der liebe Botschafter ihr selbst gesagt! O ja, heute Abend noch würde sie Sascha schreiben, dass sie das Vergnügen gehabt hätte, seine Tante kennenzulernen! Oberst de Sabran verfolge also gerade die Manöver der Schweizer Armee? Wie interessant! Natürlich, in seiner Eigenschaft als Militärattaché gehöre das ja zu seinen Pflichten, sagte sie lächelnd, während sie an einer standesgemäßen Zuckerstange lutschte. Die Armee, oh, wie sehr sie die Armee liebe, seufzte sie, und ihre Lider flatterten. Oh, die Armee, die Ehre, die Disziplin, die alten Traditionen, der ritterliche Geist, das Offiziersehrenwort, die Kavallerieattacken, die großen Schlachten, die
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