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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Wechseln des Schlafrocks, Schallplatten, Musik im Radio, Vorlesen, Schallplatten, Küsse, Mittagessen im Salon, Kaffee, Flotte im Eismeer, dann Vereinigung Nummer zwei nach Entfernung des Reitkostüms, einfach vor das Bett geworfen, dann Vereinigung Nummer drei nach dem Privatkino. Während er die Schlafende betrachtete, konjugierte er im Stillen das Verb Liebe machen in der Vergangenheit, der Gegenwart und, leider, in der Zukunft. Er war gerade beim Konjunktiv angelangt, als sie ihm, plötzlich erwacht, die Hand küsste und ihn anblickte, überwältigend in ihrem Glauben und ihrer Erwartung.
    »Was machen wir, Geliebter?«
    Immer das gleiche, was sonst?, brüllte er innerlich, wir lieben uns! In Genf hätte sie ihm diese schreckliche Frage nicht gestellt. In Genf brauchte man nur zusammen zu sein, und es war das Glück. Während sie jetzt ständig wissen wollte, welchen kümmerlichen Fraß er ihr zu bieten hatte. Sie noch einmal nehmen? Keine Lust. Sie übrigens auch nicht. Ihr etwas Zärtliches sagen? Davon würde sie auch nicht vor Freude an die Decke springen. Immerhin, versuchen wir es.
    »Ich liebe dich«, sagte er ihr ein weiteres Mal an diesem Tag, Tag der Liebe, wie all ihre Tage.
    Um ihm zu danken, nahm sie seine Hand und küsste sie, ein merkwürdig kleiner, aber schmatzender Kuss. Die Worte, die gleichen Worte, die sie im Ritz vor Glück überwältigt hatten, diese Worte lösten jetzt einen zwergenhaften Schmatzkuss aus.
    Draußen war ein universeller unermüdlicher Regen Ausdruck ihres Unglücks. In der Mausefalle der Liebe, lebenslänglich zur Zwangsarbeit der Liebe verurteilt, lagen sie nebeneinander, schön, zärtlich, liebend und ohne Ziel. Ohne Ziel. Was tun, um dieser Erstarrung Leben einzuhauchen? Er drückte sie an sich, um der Erstarrung Leben einzuhauchen. Und sie kuschelte sich an ihn. Und jetzt? Was nun? Seit langem hatten sie ihre Kokons aus Erinnerungen, Gedanken und Gemeinsamkeiten abgewickelt. Und ihren sinnlichen Kokon ebenfalls. In fleischlichen Dingen ist das Ende schnell erreicht. Abermals schmiegte sie sich an den Mann ihres Lebens, und sein Mitleid schmerzte ihn. Er hatte ihre Frage nicht beantwortet, und die Arme traute sich nicht, sie zu wiederholen. Oh, was sie jetzt brauchten, waren zwei ehebrecherische Stunden im Ritz! Als sie heimlich um vier Uhr zu ihm gekommen war, mit Herzklopfen und flatternden Lidern und sich schmerzlich und voller Lebensfreude bewusst, dass sie ihn unbedingt um sechs Uhr verlassen musste. Oh, damals hätte sie nicht daran gedacht, ihn zu fragen, was sie machen würden!
    »Geliebter, der Regen hat etwas nachgelassen. Wollen wir nicht doch ein bisschen nach draußen gehen? Es würde Ihnen gut tun.«
    Wenn sie noch in Genf wären und sie immer noch mit ihrem Deume leben würde und in zwei Stunden zurück in Cologny sein müsste, würde sie ihm dann einen gesundheitsfördernden Spaziergang vorgeschlagen haben? Nein, bis zur letzten Minute hätte sie sich an ihn geschmiegt, selbstsüchtig, lebendig! Und nach Cologny zurückgekehrt, wäre sie unausstehlich zu dem armen Deume, voll und ganz konzentriert auf den so selten gesehenen Geliebten, konzentriert auf das nächste Wiedersehen. Und welch herrlicher Gedanke, dass man sich im nächsten Monat eine Abwesenheit des Ehemannes zunutze machen könnte, um drei Tage in Agay zu verbringen, drei Tage, die sie schon im voraus liebkosen würde, drei Tage, deren kleine Federn sie während der langweiligen Abende mit dem Ehemann streicheln würde. Aber jetzt war er der Ehemann, ein Ehemann, dem man Schmatzküsse auf die Wange gab, wie einem Baby. Und manchmal sprach sie sogar mit ihm wie mit einem Ehemann. Hatte sie ihm neulich nicht gesagt, sie habe ihre Migräne?
    »Unten wird getanzt«, sagte sie.
    »Ja, es wird getanzt.«
    »Wie vulgär diese Musik doch ist.«
    »In der Tat.« (Sie ist nur traurig, nicht dabei sein zu können, und rächt sich, wie sie kann, dachte er.)
    »Man hat es in der Halle angeschlagen«, sagte sie nach einer Pause. »Von jetzt an gibt es jeden Nachmittag Tanz.«
    »Aha.«
    Er fuhr sich über die Nase. Sie hielt sich also auf dem laufenden über das Leben im Hotel, interessierte sich für die verbotene Welt, brauchte die Stallwärme der kollektiven Gemeinsamkeit. Und warum auch nicht? Die Arme war ja normal. Er stellte sie sich vor, mit halb geöffneten Lippen vor dem Anschlag in der Halle, wie ein naschsüchtiges Kind vor dem Schaufenster einer Konditorei. Er küsste sie auf beide Wangen.

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