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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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vom ersten Abend, dem nicht niesenden im Ritz, dem poetischen.
    »Solal betrogen mit Solal«, murmelte er, drehte sich rechts und links aus seiner lockigen Mähne zwei Hörner und grüßte den Hahnrei im Spiegel, während sie, den Blick gesenkt, fröstelte. Ja sie hatte ihn mit ihm selbst betrogen, da sie es gewagt hatte, ihn gleich am ersten Abend zu lieben! Sie hatte den Bekannten von jetzt mit dem Unbekannten aus dem Ritz betrogen! Mit dem erstbesten Fremden, irgendeinem Solal, der nicht der echte Solal war, und sie hatte ihm die Hand geküsst! Und warum? Wegen allem, was er verachtete, aus animalischen Gründen, wie zu Zeiten des prähistorischen Urwalds! Und schon am ersten Abend in Cologny war sie bereit gewesen, ihren Mund auf den Mund eines Unbekannten zu pressen! O die Schamlose! O die Schamlosen, die die Männer liebten! Unglaublich, diese so zarten Geschöpfe liebten die Männer, liebten ganz eindeutig die Männer, diese Prahler und Rohlinge und am ganzen Körper Behaarten! Unglaublich, sie nahmen die Sinnlichkeit der Männer hin, verlangten danach, schwelgten darin! Unglaublich, aber wahr! Und niemand empörte sich darüber!
    Er wandte sich ihr zu und war entsetzt über den so reinen Ausdruck dieses Gesichts mit den gesenkten Lidern. Rein war sie also obendrein noch, die Küsserin des Unbekannten aus dem Ritz, des dahergelaufenen Juden! Züngelnd zungenküssend fast sofort mit dem Unbekannten! Oh, sie trieben ihn zum Wahnsinn mit ihrem Nichtverstehen, sie trieben ihn zum Wahnsinn, diese mit einem Mal bacchantischen Madonnen! So edle Reden, wenn sie angezogen waren! Und dann, in der Verwirrung der Nächte, plötzlich Worte, die dich tot umfallen lassen würden, armer kleiner Salomon!
    »Hör zu, Liebling, bleiben wir nicht hier, tun wir irgendwas, gehen wir hinunter.«
    Eine Klinge des Schmerzes durchbohrte ihn. Diese zärtlichen Worte waren eine Verurteilung. »Bleiben wir nicht hier, tun wir irgendwas!« Zusammen sein war also Nichtstun. »Tun wir irgendwas.« Aber was? Also gut, weitermachen.
    »Kommen wir auf unseren bein- und armlosen Krüppel zurück. Ich stelle die Frage noch einmal, und sie ist durchaus nicht absurd. (Er sprach langsam und kostete jedes Wort aus.) Ein Gasbrand schlimmster Art, der den Ärzten keine andere Wahl ließe, als mir Arme und Beine und auch die Schenkel zu amputieren, kurz, aus mir einen bein- und armlosen Krüppel zu machen, der dazu noch, wie es bei Gasbrand üblich ist, voll stinkender Eiterbeulen wäre«, sagte er sanft lächelnd und im Hochgefühl des Glücks. »Das kann durchaus vorkommen, es gibt Krankheiten dieser Art. Wenn ich nun also nur noch ein kleiner Rumpf wäre, ein unbewegliches und stinkendes Eiterpaket, würden Sie mich dann immer noch so poetisch lieben, mit Cherubino-Arie und Brandenburgischem Konzert, würden Sie mir dann immer noch herrliche und leidenschaftliche Küsse geben? Antworten Sie!«
    »Genug, genug«, flehte sie ihn an. »Genug, ich kann nicht mehr, ich bin so müde. Sag, was du willst, von mir hörst du kein Wort mehr.«
    »Gerichtsschreiber«, befahl er mit ausgestrecktem Zeigefinger, »schreiben Sie, dass die Angeklagte erneut die Aussage verweigert! In Wahrheit, meine Liebe, werden Sie, wenn ich nur noch ein übelriechender kleiner Rumpf bin, schon zu dem Ergebnis kommen, dass ich nicht mehr die gleiche Seele habe, dass sie Schaden genommen hat und dass Sie mich nicht mehr lieben werden, nie mehr! Und doch wäre es ungerecht. Ist dieser Gasbrand meine Schuld? Ich armes kleines stinkendes Paket auf einem Tisch, ohne Arme, ohne Beine, ohne Schenkel, aber immer noch im Besitz meiner Männlichkeit, zu Ihrem Unglück und Ekel, ja, ich Armer, ganz klein, ganz eckig auf meinem Tisch, mit schmerzendem Kopf, und ein Faustschlag genügt, um mich herunterzuschleudern, und ich kann mich nicht mehr aus eigener Kraft aufrichten! Mein Gott, es ist nicht einmal nötig, dass ich mich zerstückeln lasse, ein paar fehlende Zähne werden bereits ausreichen, dass Ihre Seele keinen Gefallen mehr an meiner Seele findet.«
    Er rieb sich die Hände und lächelte über den Streich, den er ihr spielen würde. Keine schlechte Idee, gleich morgen früh zum Friseur gehen und sich den Schädel rasieren lassen, und dann zum Zahnarzt und sich sämtliche Zähne ziehen lassen! Das Gesicht, das sie machen würde, wenn er als strahlender Sträfling vor ihr erschiene, mit einem breiten zahnlosen Lächeln! Um der Wahrheit die Ehre zu geben, die Mühe würde sich

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