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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Notar verneigte sich, und sie kam zu dem Schluss, dass es im Grunde nicht teuer sei. In Frankreich war im Übrigen alles billig, da man nur durch sechs zu teilen brauchte. Achttausend Schweizer Franken, das war nicht teuer. Ausgezeichnet, ein gutes Geschäft. Der Notar beendete das Gespräch mit der Bemerkung, der Schlüssel befinde sich beim Verwalter, der ganz in der Nähe wohne, in derselben Straße, Nummer zwanzig, und bei dem sie den Mietvertrag unterschreiben könnten, selbstverständlich müsse die vollständige Miete für ein Jahr im voraus bezahlt werden.

***

    Der Verwalter war ein dickbäuchiger und schwatzhafter Bandit, auf dessen Schreibtisch eine Schrapnell-Granate 75 mm, ein Porträt von Marschall Foch und eine Statue der Heiligen Jungfrau standen, eine vertrauenbildende Maßnahme sozusagen. Der Notar hatte ihn bereits angerufen, und er wusste, wen er vor sich hatte. Während sein stummer und kurzsichtiger Gehilfe sich ihm gegenüber unter der rauchigen und niedrigen Decke in Schönschrift übte, verbreitete er sich eine geschlagene Viertelstunde lang unter Aufbietung zahlreicher Klischees über diverse komplizierte Immobiliengeschichten, die mit Belle de Mai in keinerlei Zusammenhang standen. Endlich verkündete er, er müsse Madame und Monsieur leider die traurige Mitteilung machen, dass ihre Konkurrenten ihn heute früh angerufen und sich mit der Miete von achtundvierzigtausend Francs einverstanden erklärt hätten, was Maître Simiand nicht gewusst habe. Und natürlich, da sie mit der Besitzerin persönlich befreundet seien. »Oh, mein Gott«, murmelte sie. Vielleicht gebe es ja ein Mittel, die Sache zu ihrer Zufriedenheit zu regeln, fügte der Verwalter hinzu. Die Konkurrenten seien nämlich bisher nicht gewillt, die Grundsteuer zu übernehmen, die doch nur sechstausend Francs ausmache. Der Immobiliengangster hätte ohne weiteres eine noch höhere Summe genannt, wenn der Ehemann nicht ein so undurchdringliches Gesicht gemacht hätte, so dass er sich fragen musste, ob er ein Pantoffelheld sei oder im allerletzten Augenblick doch noch zum Gegenschlag ausholen würde.
    »Einverstanden«, sagte sie.
    Der Verwalter steckte sich den kleinen Finger ins Ohr und fragte Ariane, ob die vierundfünfzigtausend Francs sofort bezahlt werden könnten. Sie wandte sich zu Solal, der sein Scheckbuch hervorholte.
    »Natürlich kommen dann noch die Honorare für das Aufsetzen des Mietvertrags, unsere Provision, die Registraturkosten und verschiedene andere kleine Auslagen hinzu.«
    »Ja«, sagte sie, »natürlich. Können wir den Vertrag jetzt gleich unterschreiben? Weil wir nämlich gern den Schlüssel hätten, um uns das Haus von innen anzusehen.«

***

    Sie stieg eilig aus dem Taxi, stieß das Gittertor auf, öffnete die Tür, blieb stehen und betrachtete bewundernd die große Halle und die umlaufende Galerie darüber. Oh, sie würde aus Belle de Mai ein prachtvolles Zuhause machen, in dem es sich gut leben ließe. Und heute war herrliches Wetter. Der erste Dezember, und die Sonne noch so warm! Sie nahm ihn bei den Händen, neigte den Kopf zurück und zwang ihn, sich mit ihr im Kreis zu drehen, bis ihnen schwindlig wurde. Dann blieb sie stehen, mit einem Mal von zärtlichem Mitleid ergriffen. Er hatte sich ungeschickt mit ihr im Kreis gedreht, wie ein Kind, dem man ein neues wunderbares Spiel beibringt, und sie dachte, dass er in seiner Kindheit wahrscheinlich nie richtig gespielt hatte.
    Sie gingen von Zimmer zu Zimmer. Entschlossen bestimmte sie mit lauter Stimme, die in den leeren Räumen widerhallte, wo sich die beiden Schlafzimmer, der Salon und das Esszimmer befinden sollten. Als sie feststellte, dass es zwei Badezimmer gab, war sie außer sich vor Freude. Nein wirklich, vierundfünfzigtausend Francs, also neuntausend Franken, das war nicht viel. Nach einer raschen Besichtigung des Kellers und des Dachbodens beschloss sie, dass sie sofort nach Cannes zurückfahren müssten, um die Möbel und Teppiche auszusuchen oder sich wenigstens schon mal eine erste Vorstellung zu machen.
    »Wir werden den ganzen Nachmittag dort bleiben, nicht wahr?«, sagte sie im Taxi zu ihm. »Das ist bestimmt nicht zu lang, denn wir müssen ja so viele Entscheidungen treffen. Aber zuerst wollen wir zu Mittag essen. Ich habe gewaltigen Hunger! Und weißt du was, Geliebter, wir werden diesmal nicht ins Moscou gehen. Lieber in ein kleines Bistro, einverstanden? Zuerst möchte ich mir ein riesiges Kräuteromelette bestellen, oder eins

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