Die Schöne des Herrn (German Edition)
Art gesellschaftliches Leben gegeben, und ein Ziel.
Ihr armseliges Leben. Am Ende der zweiten Woche hatten sich die Arbeiter verabschiedet, und sie und er hatten ihr verschönertes Heim bewundert und sich an dem neuen Kamin erfreut, den sie gleich hatte einweihen wollen, mit einem schönen Feuer, trotz der milden Temperatur. »Geliebter, ist das nicht schön?« Und dann hatten sie sich in ihre neuen Sessel gesetzt, um sie auszuprobieren, riesige, englische, weiche, braune Dinger, zwei große Portionen Mousse au chocolat. »Ist das nicht schön?«, hatte sie erneut gesagt, und sie hatte zufrieden um sich geblickt und tief eingeatmet vor Besitzerstolz. Und nach einem Schweigen, hatte sie ihm aus den Memoiren einer großen englischen Dame vorgelesen und sich ein paarmal unterbrochen, um empört ihrer Verachtung Ausdruck zu geben, die sie für diese Bande von Snobs empfand. Nach dem Abendessen hatte es an der Eingangstür geklingelt. Sie war zusammengezuckt und hatte dann mit ruhiger Stimme gesagt, es handele sich wahrscheinlich um einen Besuch dieser Leute, die gerade in der Nachbarvilla eingezogen seien, ein Höflichkeitsbesuch. Nachdem sie ihre Stirnlocke zurechtgerückt hatte, war sie mit einem angemessenen Lächeln zur Tür gegangen. In den Salon zurückgekehrt, hatte sie mit kleiner natürlicher Stimme gesagt, es sei ein Irrtum gewesen, sich in eine der Mousse-au-chocolat-Portionen gesetzt und erklärt, in den alten Sesseln säße man doch entschieden bequemer. Er hatte ihr beigepflichtet, und sie hatte die
Revue de Paris
aufgeschlagen und begonnen, einen Artikel über byzantinische Kunst vorzulesen.
Ihr armseliges Leben. Am Morgen die geheime Gymnastik der Unglücklichen im Badeanzug auf dem Teppich, während er ihr, ohne dass sie es ahnte, durchs Schlüsselloch zusah, wie sie die Beine hob, sie feierlich spreizte und schloss, sie langsam sinken ließ, dabei gewissenhaft ein- und ausatmete und dann von vorn begann, und mit dieser heimlichen Gymnastik kämpfte sie gegen eine lähmende Starre an, die sie wahrscheinlich dem Mangel an körperlicher Betätigung zuschrieb, weil sie ihm zu ergeben war, um die Wahrheit zu erkennen, und die Wahrheit war, dass sie sich gemeinsam langweilten, dass ihre Liebe leckte und dass sie davon krank wurde. Nach den Leibesübungen setzte sich sie manchmal eine kleine Schweizer Sennenkappe auf, mit aufgesticktem Edelweiß, die sie irgendwo versteckt hielt, und dann jodelte sie, während sie in ihrem Schrank herumräumte, jodelte ganz leise ein Gebirgslied, ein Lied ihrer Heimat, ein weiteres ihrer erbärmlichen kleinen Geheimnisse.
Ihr armseliges Leben. Neulich Abend nach dem Essen hatte sie ihm wieder einmal verkündet, dass sie ihm einen schönen Kuchen backen würde, hatte ihn wieder einmal gefragt, was er lieber hätte, einen Schokoladen- oder Mokkakuchen. Und dann hatte sie ihm nach kurzem Schweigen gesagt, dass sie sich gern einen Hund kaufen würde. Das wäre doch ein netter Gefährte für unsere Spaziergänge, nicht wahr? Er hatte zugestimmt, weil es ein Gesprächsthema war und ein Ziel für den nächsten Tag. Sie hatte die verschiedenen möglichen Rassen auf ein Blatt Papier geschrieben, mit zwei Spalten, eine für die Qualitäten und die andere für die Fehler. Seitdem war nicht mehr die Rede davon gewesen. Vielleicht hatte sie sich überlegt, dass ein Hund während ihrer Weihen, wie sie sagte, womöglich bellen würde oder dass Spaziergänge zu dritt wegen gewisser hündischer Gewohnheiten peinlich sein könnten.
Ihr armseliges Leben. Gestern Abend um halb elf hatte sie tapfer ihre Schläfrigkeit verborgen, als diese sich wie üblich eingestellt hatte. Doch er kannte die Anzeichen. Das leichte Jucken der Nase, deren Flügel sie kaum merklich und vornehm kratzte. Die bald weit aufgerissenen, bald verstohlen geschlossenen und sofort wieder geöffneten Augen. Die geweiteten Nasenlöcher, die zusammengebissenen Zähne und das Wallen des Busens, um ein Gähnen unterzuschmuggeln. Die Arme war schläfrig, aber da er gerade redete, wollte sie tapfer ausharren, wollte ihm ehrlich und interessiert zuhören, denn sie liebte ihn standhaft und war obendrein noch höflich. Und so saß sie da und hörte lächelnd zu, aber hinter ihren Augen herrschte Unruhe, fast ein Wahn, die Angst, zu spät ins Bett zu kommen, wenn er weiterredete, die krankhafte Angst vor der unweigerlichen Schlaflosigkeit, wenn sie nach elf, der äußersten Grenze, schlafen ging, eine verborgen gehaltene Angst, die
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