Die Schöne des Herrn (German Edition)
Genf. Der Abend im Donon. Sie bemüht, eine interessante Unterhaltung zustande zu bringen. Also wieder Kindheitserinnerungen. Natürlich, man hatte sich ja nichts aus der Gegenwart zu erzählen. Anschließend ihr schüchterner Vorschlag zu tanzen. »Geliebter, lass uns auch tanzen.« Dieses demütige »uns auch«, Eingeständnis der Niederlage, hatte ihm wehgetan. Als sie nach dem zweiten Tanz an ihren Tisch zurückkehrten, öffnete sie ihre Handtasche. »Es tut mir furchtbar leid, aber ich sehe, dass ich vergessen habe, ein Taschentuch einzustecken. Könnten Sie mir eins leihen?« – »Tut mir leid, Liebling, aber ich habe keins«. Also schniefte sie heimlich, kaum hörbar, voller Panik, aber lächelnd, während er vermied, sie anzusehen, um die Schmach der verstopften Nase nicht noch schlimmer zu machen. Lächelnd starb sie tausend Tode, und er liebte sie, liebte seine Unglückliche, der so elend zumute war, weil sie eine volle Nase hatte und er es wusste, verzweifelt, weil sie sich ihres Inhalts nicht entledigen konnte. Um ihr vorzugaukeln, er bekomme das Drama nicht mit, und um sie mit zärtlichem Respekt zu rehabilitieren, küsste er ihr die Hand. Nach einem fünften oder sechsten verschämten Schniefen murmelte sie, es täte ihr furchtbar leid, aber sie müsse ins Hotel zurück, um sich ein Taschentuch zu holen. »Ich werde Sie begleiten, Liebste.« – »Nein, bitte bleiben Sie, ich bin gleich zurück, das Hotel ist ja ganz in der Nähe.« Er wusste sehr gut, warum sie allein gehen wollte. Sie befürchtete eine Katastrophe unterwegs angesichts der übervollen Nase und des Risikos eines plötzlichen Niesens mit all den heraushängenden Folgen. »Kommen Sie schnell zurück, Liebste.« Gefoltert von ihrer Last und in großer Not, sie loszuwerden, schenkte sie ihm noch ein vornehmes Abschiedslächeln, o Elend des Geliebtseins, o erbärmliche Schauspieler, und dann entfernte sie sich eiligst, vermutlich voller Hass auf diese Nase, die sich ausgerechnet in diesem Donon verstopfen musste, wo sie vor Monaten, in der Nacht ihrer Flucht, herrlich bis in die frühen Morgenstunden getanzt hatten. Draußen rannte sie jetzt sicher ihrem befreienden Taschentuch entgegen. O Liebste, wie glücklich ich dich machen könnte, wenn du jahrelang krank und mein kleines Mädchen wärst, das ich in seinem Bett pflege, dem ich Essen bringe, das ich wasche und das ich kämme. Aber leider sind wir verdammt, außergewöhnlich und erhaben zu sein. Und da sagte er sich, dass er, wenn sie zurückkäme, den Verliebten spielen und mit ihr tanzen würde, um ihr eine Freude zu machen. Das Problem war nur, dass sie dann, pragmatisch, wie sie war, nach der Rückkehr ins Hotel eine konkrete Fortsetzung erwarten würde. Ach, wenn sie wüsste, wie sehr er sie geliebt hatte, als sie so reizend unter ihrem kleinen Unglück mit der verstopften Nase gelitten hatte. Doch das konnte er ihr natürlich nicht sagen, sie würde sich gedemütigt fühlen. Das Beste dessen, was er für sie empfand, musste er verschweigen. Ach, mein Liebling, wenn ich dir doch all die kleinen idiotischen Namen geben könnte, Zuckerschnäuzchen oder Zuckerschnäuzilein oder mein kleiner Hosenmatz, wenn du im Pyjama bist. Aber nein, streng verboten, Leidenschaftsbeleidigung. Wieder zurück im Donon, poetisch und befreit, begann sie, kaum hatte sie sich gesetzt, schon wieder zu schniefen. Was für eine Produktivität. Er bot ihr eine Zigarette an, in der Hoffnung auf irgendeine gefäßverengende Wirkung, aber vergeblich. Schließlich zog sie ihr Taschentuch heraus. Jetzt entleere dich doch endlich ein für allemal! Aber nein, sie schnäuzte sich kaum, mit der feinsinnigen Anmut eines Kätzchens, ein paar reizende und wirkungslose pff-pff. So wird das nichts, sagte er innerlich zu ihr, du wirst dich gleich wieder schnäuzen müssen, begreifst du das denn nicht? Er hatte eine solche Lust bekommen, ihr zu erklären, dass sie so nichts ausrichtete und sich endlich richtig schnäuzen sollte, denn er hasste dieses verdammte Bedürfnis nach Schönheit um jeden Preis. Dann endlich hatte sie sich entschlossen, der Sache ein Ende zu machen, und laut in das Taschentuch trompetet. Gott sei Dank hatte dieses Trompeten eine völlige Entleerung und Trockenlegung der Nase bewirkt, und er hatte darauf verzichtet, ihr zu applaudieren. Endlich befreit, hatte sie seine Hand ergriffen, um zu spüren, dass sie ihn liebte, dass sie sich liebten. Es war traurig gewesen. Schluss damit.
Und jetzt waren sie
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