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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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schon seit Wochen wieder in Belle de Mai. Bei ihrer Rückkehr hatten sie auf dem Küchentisch Mariettes Brief vorgefunden, in dem sie ihnen mitteilte, sie habe ganz plötzlich nach Paris reisen müssen, um ihre kranke Schwester zu pflegen. Das war sicherlich ein Vorwand. Die Alte hatte genug von ihrem erstickenden Leben gehabt, sie war vor dem Unglück geflüchtet. Bravo, Mariette. Und dann das Telegramm des Notars, der ihnen mitteilte, dass Arianes Onkel gestorben sei. In ihrem Schmerz hatte sie sich an ihn geklammert. Tränen, Küsse und ein gelungener Koitus wie in den alten Zeiten in Genf. Tja, das war eben etwas Neues und Interessantes. Sie liebte ihren Onkel, und ihre Trauer war echt und tief, aber endlich gab es einen Vitaminstoß von draußen. Und es würde eine Trennung von mehreren Tagen geben, er würde wieder existieren. Am Bahnhof in Cannes, wohin er sie begleitet hatte, heftige Küsse vor der Abfahrt des Zuges. Die gleiche Glut bei ihrer Rückkehr aus Genf. Aber ein paar Tage später erneut der edle Sumpf, das schmachtende Ritual der ungeheuren Liebe.
    Sie hatte keine Hausangestellte gefunden, nicht einmal eine Putzfrau, hatte alles selbst in die Hand genommen und war abwechselnd heimliche Hausfrau und Liebespriesterin. Am Vormittag lag er mit wirrerem Haar denn je in seinem Zimmer, während sie Gemüse putzte oder mit einem Turban, um ihr Haar zu schützen, eine brutzelnde Pfanne überwachte oder sich bemühte, eine Mayonnaise zu retten. »Kann ich jetzt Ihr Zimmer machen?« Dann flüchtete er sich in den Salon, um sie nicht fegen zu sehen. Wie gern hätte er mit ihr gefegt und geschrubbt. Doch er musste der geliebte Märchenprinz bleiben. Nicht für sich, sondern für sie. Schrecklich, diese Verpflichtung, ständig die Drohne zu spielen. Doch wenn sie wegging, um Einkäufe in Saint-Raphaël oder Cannes zu machen, half er ihr rasch, soviel er konnte, fegte die Zimmer, scheuerte die Kacheln in der Küche, brachte das Kupfer auf Hochglanz, bohnerte. Und all das heimlich, still und leise, um nicht sein Ansehen als Liebhaber zu verlieren, dieses blödsinnige Ansehen, auf dem sie so bestand. Übrigens war sie so zerstreut und fahrig, dass sie bei ihrer Rückkehr nichts bemerkte. Wenn sie dann ihre tadellose Küche betrachtete oder ihr blitzblankes Esszimmer, sagte sie mit leichtem Stolz, dass sie ihr Haus doch eigentlich sehr gut in Ordnung halte, ganz ohne Hilfe, nicht wahr, und sie atmete tief ein. Sie war so wunderbar naiv.
    Nach den häuslichen Pflichten kam die heimliche Gymnastik, dann das Bad, dann das Liebesgewand, das sie am Vortag gewaschen und am frühen Morgen gebügelt hatte. Und endlich erschien feierlich und mit angespannten Kiefermuskeln die nach einem Ambre Antique genannten Parfum duftende Vestalin. Es folgte das Mittagessen auf der verdammten Terrasse, um den Blick auf das verdammte Meer genießen zu können. Sie gab sich solche Mühe mit den Mahlzeiten. Vorgestern das prächtige Mahl, um den Jahrestag zu feiern. Die Einfallsreiche hatte sogar in Schönschrift eine Menükarte geschrieben, entzückt, Hummer
à l’armoricaine
schreiben zu können statt
à l’américaine
und Kartoffeln im Feldrock statt im Schlafrock. Kurz, sehr poetisch und überhaupt nicht jüdisch. Übrigens war ihr Hummer ungenießbar.
    Verflixt, der erste Gongschlag. In einer Viertelstunde würde man sich auf die Terrasse begeben müssen, um vornehm zu speisen und sich von den Mücken stechen zu lassen, abscheuliche kleine Biester, die nicht nur sein Blut, sondern ihm auch wehtun wollten. Welches Vergnügen fanden sie daran, ihm diesen Pfeffer unter die Haut spritzen? Das war eine völlig unnütze Boshaftigkeit. Schön, nehmt mein Blut, aber lasst mich nicht leiden! Plötzlich musste er an die alte Sarles denken und stellte sich vor, sie habe ein Vermächtnis zur Errichtung eines Altersheims für alte gläubige Mücken ausgesetzt. Ja, diese fromme Frau hatte bestimmt viel Sympathie für die Sitten und Gebräuche der Mücken, die dir ein kleines einschmeichelndes Lied singen und dir dann das Blut vergiften, bis der Stich anschwillt und du dich stundenlang kratzen musst. Und wenn du dich ärgerst, sagen sie: »Lieber Freund, wir beten ja ständig für Sie, wir lieben Sie so sehr! Hören Sie doch nur unser feines Geläute, hören Sie doch nur, wie wir zu Gott beten, dass er Sie gedeihen lässt, damit wir Sie noch oft stechen können, was wir mit Liebe und vor Spiritualität strahlenden Augen tun!« Doch wenn sein

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