Die Schöne des Herrn (German Edition)
Durchschnittlich zwei Dienstreisen zu fünfzehn Tagen pro Jahr, mit jeweils zwei Tagen effektiver Arbeit, denn auf den Dienstreisen, musst du wissen, reißt man sich kein Bein aus, man ist sein eigener Herr, niemand überwacht einen, man macht, was man will, und die Arbeit auf den Dienstreisen besteht ja vor allem aus Einladungen in feine Restaurants! Folglich vier Tage effektiver Arbeit für die beiden Dienstreisen, das macht, und berichtige mich, falls ich mich irren sollte, das macht einen Gewinn von sechsundzwanzig Ruhetagen, an denen obendrein für Unterhaltung gesorgt ist, sechsundzwanzig Tage, die wir eiligst den hundertachtundachtzig Tagen hinzufügen werden! Das macht zweihundertvierzehn dienstfreie Tage im Jahr!«
Siegesbewusst erhob er das Haupt und strahlte vor so reiner und kindlicher Freude, dass sie ihm mit dem Zeigefinger über die Hand strich, denn eine Art Mitleid hatte sie erfasst. Er blickte seine liebe Frau an, und seine Augen leuchteten vor Dankbarkeit.
»Warte«, flüsterte er, »ich werde dir ein Geheimnis zeigen.«
Er zog einen riesigen, mit mikroskopisch kleinen und rührend sorgfältig geschriebenen Zahlenkolonnen bedeckten Bogen aus der mittleren Schublade. Es sah aus wie Regimenter von Ameisen.
»Das ist ein Kalender für dreißig Jahre«, erklärte er leicht verlegen. »Ich habe Wochen gebraucht, um ihn anzufertigen. Siehst du, jede Kolonne ist ein Jahr. Dreißig Kolonnen mit dreihundertfünfundsechzig Tagen, Schaltjahre natürlich ausgenommen. Die durchgestrichenen Tage sind die, die ich bereits hier verbracht habe. Siehst du, mehr als fünf Jahre habe ich schon abgesessen! Stell dir vor, wenn ich erst einmal da angelangt bin«, sagte er und zeigte auf die unterste Spitze der dreißigsten Kolonne. »Es bleiben mir also noch knapp fünfundzwanzig Jahre, also etwa neuntausend Tage, die ich noch durchstreichen muss. Verstehst du, jeden Tag streiche ich eine Zahl durch. Aber jetzt stellt sich das Problem der Wochenenden. Wann soll ich den Samstag und Sonntag durchstreichen? Am Freitagabend oder am Montagmorgen, was meinst du? Ich sage Freitagabend, denn wie du weißt, komme ich aus den bereits erwähnten Gründen ja am Samstagmorgen nicht ins Büro. Also, soll ich vorher oder nachher ausstreichen? Was sagst du? (Sie schüttelte den Kopf, sie wusste es nicht.) Sag schon, was meinst du, Freitagabend oder Montagmorgen?«
»Montag«, sagte sie um des lieben Friedens willen.
Er blickte sie durch seine Brille dankbar an.
»Ja, ich hatte mir auch gedacht, der Montag wäre besser. Damit fängt die Woche gut an. Sowie ich am Morgen ankomme, ratsch, streiche ich den Samstag und den Sonntag durch! Zwei Tage weniger, das ist doch immerhin ein Trost! (Er seufzte.) Aber natürlich wäre die Lösung, am Freitag durchzustreichen, bevor ich gehe, auch nicht schlecht. Denn dann habe ich das Vergnügen, drei auf einen Schlag durchzustreichen: Freitag, Samstag und Sonntag! Und das beschließt die Arbeitswoche! Man geht am Freitagabend ein wenig früher als gewöhnlich und fühlt sich leicht und beschwingt! (Auf den Lippen eine Spur von Nachdenklichkeit.) Aber wenn ich’s mir recht überlege, ziehe ich doch den Montag vor, weil es tröstlicher ist, und außerdem ist es deine Idee, und es macht mir Freude, mir deine Idee zu eigen zu machen. (Er lächelte ihr gerührt zu. Es war doch schön, alles mit seiner Frau zu teilen.) Warte, ich will dir noch etwas zeigen. (Er öffnete die Schublade mit der Kartei und legte zärtlich besitzergreifend die Hand auf die Karteikarten.) Siehst du das? Hier sind alle meine Mandatsgebiete. Da drin«, wiederholte er mit dem Stolz des guten Handwerkers. (Zärtlich, mit fast erotischen Bewegungen, ließ er seine Hand über die Karten wandern.) Alles, was sie betrifft. Alles, was die Eingeborenen meiner Gebiete betrifft, wurde hier von deinem ergebenen Diener in dieser Kartei verzeichnet!«
»Werden diese Eingeborenen gut behandelt?«
»Natürlich werden sie gut behandelt. Da kannst du ganz beruhigt sein, die sind glücklicher als wir, sie tanzen und haben keine Sorgen. Ich würde gern mit ihnen tauschen.«
»Woher wisst ihr, dass man sie gut behandelt?«
»Na ja, die Regierungen schicken uns Berichte.«
»Seid ihr sicher, dass sie stimmen?«
»Natürlich stimmen sie. Sie sind doch offiziell.«
»Und dann? Was macht ihr mit diesen Informationen?«
Er sah sie erstaunt an. Was hatte sie schon wieder?
»Wir legen sie der Ständigen Mandatskommission vor. Und das hier,
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