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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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siehst du, ist mein kleines Maschinengewehr«, fügte er hinzu und deutete auf seine schöne Heftmaschine. »Ich bin der einzige in der Abteilung, der dieses Modell hat.«
    »Und was tut diese Kommission für das Wohl der Eingeborenen?«
    »Sie prüft die Lage und beglückwünscht die Mandatsmacht für ihre zivilisatorischen Bemühungen.«
    »Und wenn die Eingeborenen schlecht behandelt werden?«
    »Das kommt praktisch nie vor.«
    »Aber ich habe ein Buch von Gide gelesen, in dem von Machtmissbrauch die Rede ist.«
    »Ach ja, ich weiß«, sagte er schmollend. »Er hat das alles stark übertrieben. Und außerdem ist er ein Homo.«
    »Dann sind also doch schlechte Behandlungen vorgekommen. Und was macht diese Kommission in einem solchen Fall?«
    »Was sie macht? Sie formuliert Wünsche, drückt der Mandatsmacht ihr Vertrauen aus und erklärt, sie hoffe, dass dergleichen Vorfälle sich nicht wiederholen und dass sie dankbar alle Informationen über die jüngsten Entwicklungen entgegennehme, die ihr zu übermitteln die zuständigen Behörden für angebracht halten. Ja, denn im Fall von Amtsmissbrauch oder Übergriffen, über die die Presse übrigens mehr oder weniger genau berichtet, ziehen wir es vor, von ›Entwicklungen‹ zu sprechen, das klingt diplomatischer und rücksichtsvoller. Siehst du, das ist eine echte Bostitch. Vierzig Heftungen in der Minute!«
    »Und wenn die Wünsche nichts nutzen, wenn man weiterhin die Eingeborenen misshandelt?«
    »Was willst du denn noch? Man kann doch eine Regierung nicht verärgern. Regierungen sind sehr empfindlich. Und außerdem kommen sie für unser Budget auf. Aber im allgemeinen läuft alles sehr gut. Die Regierungen tun ihr Bestes. Wir unterhalten sehr herzliche Beziehungen zu ihren Vertretern. Vierzig Heftungen in der Minute, schau mal«, sagte er und schlug mit der Faust auf die Heftmaschine.
    In einem heiligen, rasenden, strahlenden, begeisterten und kriegerischen Rausch schlug er zu. Unerbittlich und wie besessen schlug er zu. Mit auf und ab hüpfender Brille schlug er brutal und gleichsam erleuchtet zu, während draußen auf dem Flur von überall die Kollegen herbeieilten und erfreut und mit Kennermiene dem Toben des in Trance geratenen schwitzenden Beamten lauschten.
    »Ich gehe ein bisschen in den Park hinunter«, sagte sie. »In ein paar Minuten bin ich wieder da.«
    Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, stieß er plötzlich ernüchtert die Heftmaschine von sich. Das hätte er nicht tun sollen. Das war Handarbeit, Sekretärinnenarbeit. Und er hätte ihr auch nicht seine kleinen Tricks mit den zusätzlichen freien Tagen anvertrauen sollen, das wirkte subaltern und wie billige Mogelei. In Misskredit gebracht hatte er sich damit. Und all das nur wegen dieses Bedürfnisses, alles mit ihr zu teilen, ihr alles zu erzählen, sich mit ihr zu begeistern.
    »Ich liebe sie zu sehr, das ist es.«
    Er hob die rechte Hand zum Schwur. Von jetzt an keine Vertraulichkeiten mehr. Es würde Opfer erfordern, aber es musste sein. Worauf es ankam, war, sich die Achtung seiner Frau zu bewahren. Und wenn er den Eindruck eines kleinlichen Beamten, den er ihr gegenüber erweckt hatte, dadurch wieder wettmachte, dass er ihr heute Abend oder morgen erzählte, er leide an Halluzinationen und habe das Gefühl, von Krebsen verfolgt zu werden? Vielleicht würde das helfen. Nur war es wiederum zu starker Tobak, es würde bei ihr nicht ziehen. Nein, er musste sich in Zukunft einfach ernst, wortkarg und zurückhaltend geben, um bewundert zu werden. Wenn sie gleich wiederkam, ihr von seinem Romanprojekt erzählen, das würde die Heftmaschine wieder ausgleichen. Ihr ganz nebenbei sagen, wenn es ihm eines Morgens einfalle, erst um zehn oder halb elf ins Palais zu kommen, könne ihn niemand daran hindern, schließlich sei er ein hoher Beamter. Auch das wäre ein Ausgleich. Und ihr außerdem sagen, dass die Beamten des Völkerbundes viel besser bezahlt würden als die des Internationalen Arbeitsamts, die stets pünktlich in ihren Büros erschienen und schufteten und schufteten. Kein Vergleich. Wir führen ein Leben wie Diplomaten, verstehst du, Liebling.
    »Jetzt an die Arbeit, das Memo. Menschenskind, Viertel nach sechs, wie die Zeit vergeht.«

VII

    Als sie eintrat, sprang er auf und küsste sie auf beide Wangen.
    »Hör nur, gerade ist mir etwas Unerhörtes passiert. Gleich, lass mich erst mal Atem holen. Was für ein Glück, dass ich noch nicht weg bin, es wird einen guten Eindruck auf ihn

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