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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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machen, wenn er sieht, dass ich Überstunden mache. Das habe ich dir zu verdanken, weil du dich Gott sei Dank verspätet hast. Also«, sagte er und machte winzige Pausen zwischen den Wörtern, um seine Atemlosigkeit zu verbergen, »vor genau zehn Minuten, um sechs Uhr zwanzig, hat sein Kabinettschef mich angerufen, der vom U.G.S. natürlich. Stell dir vor, wenn er mich nicht angetroffen hätte! Ich soll mich um Viertel nach sieben bei ihm einfinden, beim U.G.S., nicht beim Kabinettschef. Also um neunzehn Uhr fünfzehn. (Er zog seinen Reservechronometer aus der Westentasche und steckte ihn wieder zurück, ohne ihn angeschaut zu haben.) Ich habe dich sofort im Park gesucht, um es dir zu sagen, aber du warst nicht da, und da bin ich wieder heraufgekommen. Es macht ja nichts. (Er versuchte ruhig zu lächeln.) Sitzt mein Anzug gut?«
    »Ja.«
    »Kein Staub?«
    »Nein.«
    »Keine Falten hinten in der Jacke?« (Er drehte sich um.)
    »Nein.«
    »Gestern hatte ich nämlich vergessen, meine Arbeitsjacke anzuziehen. Und beim Hinsetzen weiß man ja nie. (Er entdeckte auf dem Ärmel einen Fettfleck. »Ach mein Gott, wie schrecklich!«, murmelte er weiblich kokett. Er holte das Fläschchen Détachol aus dem Schrank und rieb den Ärmel. Doch der Blick seiner Frau, die ihn beobachtete, machte ihn verlegen, und er korkte das Fläschchen zu.) Das wär’s. Der Fleck ist weg. Schon sechs Uhr dreiunddreißig, noch zweiundvierzig Minuten. Hör zu, eigentlich möchte ich jetzt lieber ein bisschen allein sein, um mir alles zu überlegen, aber es wäre nett von dir, wenn du unten auf mich warten würdest, im ersten Stock, in der kleinen Halle vor seinem Büro, du wirst sie schon finden, da sitzen immer zwei Amtsdiener. Dann kann ich … (Er hielt inne. Nur nicht sagen, er könne sie noch einmal sehen, bevor er zum U.G.S. gehe.) Dann kann ich dir gleich danach erzählen, wie es gelaufen ist. Ich werde schon ein bisschen früher unten sein. Sei um sieben da, spätestens um sieben Uhr fünf, damit wir noch einen Augenblick miteinander reden, uns die letzten Dinge sagen können. (Mechanisch schob er ein Blatt in die Heftmaschine, schlug einige Male unentschlossen zu, betrachtete das Resultat und dann seine Frau.) Sag mal, warum hat er mich deiner Meinung nach bestellt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht«, murmelte er benommen. (Er behielt einen Augenblick den Mund offen, zündete sich dann eine Zigarette an, nahm einen Zug und drückte sie kräftig im Aschenbecher aus, um sich Mut zu machen.) Also, wie ich gesagt habe, wir treffen uns um sieben Uhr fünf im ersten Stock, oder lieber um sieben, man kann nie wissen, dann können wir uns noch verständigen. Also auf Wiedersehen, Liebling.«
    Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, stürzte er sich auf das Détachol, goss ein wenig auf sein Taschentuch und rieb kräftig seinen Ärmel. Nachdem der Fleck endlich verschwunden war, eilte er in die Bar, wo er sich, immer noch nach Benzin stinkend, zwei Cocktails servieren ließ, die er nacheinander hinunterkippte. Teurer als in der Stadt, diese Cocktails. Sei’s drum, das war ein wichtiger Augenblick. Sollte er ins Sanitätszimmer gehen und um eine Maxitonpille bitten? Maxiton stärkt die Denkfähigkeit. Aber vielleicht verträgt sich das nicht mit den Cocktails. Im Zweifelsfall nicht, allzu viel ist ungesund.
    In seinem Büro besah er sich noch einmal den Ärmel. Verflixt, ein Schmutzrand. Mist, da musste er den Unterarm eben ein wenig verbergen. Diese Vorladung war natürlich etwas Wichtiges, aber wichtig im Guten oder im Schlechten? Sollte er Miss Wilson anrufen und sie fragen, worum es sich handelte? Nein, er kannte sie nicht gut genug, sie würde Diskretion bewahren. Mit Vauvau ein Wort reden? Nein, auf keinen Fall. Könnte diese Vorladung eine Gemeinheit Vauvaus sein, der sich über seine Bummelei beklagt hatte? Das britische Memo? Ein mündlicher Anraunzer des U.G.S. vor dem offiziellen schriftlichen Verweis oder gar dem Tadel? (Er vergegenwärtigte sich den schrecklichen Text der Personalordnung.) Mitteilung der Sanktion in doppelter Ausfertigung an den Beamten, der eine mit seinen Initialen versehene Kopie zurücksendet! Herrgott nochmal! Er wischte sich über die Stirn mit dem noch vom Benzin feuchten Taschentuch.
    Doch dann wirkten die Cocktails, und er beruhigte sich. Nein, Vauvau würde es nicht riskieren, sich über jemanden zu beklagen, den er eben noch im vertraulichen Gespräch mit dem U.G.S. in einem Sessel

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