Die Schöne des Herrn (German Edition)
nächsten Mal gekommen. Folglich ja, jedes Mal mit Dietsch. Er rückte von ihr ab. Sie sah den irren Blick in seinen Augen, sprang nackt aus dem Bett, öffnete die Verandatür, floh in den Garten und stürzte hin. Das Schimmern des anmutigen Körpers im Mondlicht. Er erschauerte. Nackt im feuchten Gras, sie würde sich erkälten!
»Komm zurück! Ich tu dir nichts!«
Als er sich ihr näherte, sprang sie auf und rannte auf die Rosenhecke zu. An den noch schwarzen Bäumen begrüßten die ersten kleinen tapferen Blüten die nahe Morgenröte und liebten einander, während sie davonrannte, Angst vor ihm hatte. Er ging ins Haus, kam mit dem Vikunjamantel zurück, legte ihn auf den Kiesboden und rief ihr zu, sie brauche keine Angst zu haben, er würde sich in sein Zimmer einschließen, rief ihr zu, sie solle ihre Blöße bedecken.
Hinter den Vorhängen seines Zimmers beobachtete er sie, sah er sie, als sie sich endlich entschloss hineinzugehen, in den Mantel gehüllt, gehorsam. Doch warum knöpfte sie ihn nicht zu? Arme kleine Schwäche, die da unter dem halb geöffneten Mantel hervorschaute. »Knöpf ihn zu, Liebling, knöpf ihn zu, mein Schatz, erkälte dich nicht, du bist so zerbrechlich«, murmelte er hinter der Fensterscheibe.
Kurz darauf ging er zu ihr und fand sie bleich und reglos mit blau umränderten Augen, die weit offen auf das Leben starrten. Und es tat ihm weh, sie leiden zu sehen, krank seinetwegen. Gemein, er war gemein, er war ein Verfluchter. Damit sie nicht mehr litt, spielte er ihr einen Schmerz vor, den er tatsächlich empfand, ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und legte die Stirn auf den Tisch. Er kannte sie, sie hatte ein gutes Herz. Wenn sie ihn leiden sah, würde sie ihn trösten wollen, käme sie ihn trösten, käme, um das Leiden ihres Geliebten zu lindern, und dadurch würde sie das ihre vergessen und sich besser fühlen. Da sie nicht gleich kam, seufzte er. Und da kam sie zu ihm, beugte sich über ihn und strich ihm übers Haar, vollkommen ruhig ihrer Aufgabe des Trostspendens hingegeben. Plötzlich sah er Dietsch in seiner ganzen Männlichkeit vor sich. O die Hündin! Er hob den Kopf.
»Wie groß?«
»Wie groß was?«
»Wie groß war er?«
»Mein Gott, ist das denn wichtig, ist das wirklich so wichtig?«, rief sie mit verzweifelt verzerrtem Gesicht.
»Es ist sehr wichtig!«, sagte er feierlich. »Es ist sogar lebenswichtig für mich! Also sag, wie groß?«
»Ich weiß nicht. Ein Meter siebenundsechzig, denke ich.«
Er genoss es geradezu, an die Abscheulichkeit der körperlichen Reize von Dietsch zu glauben, wich entsetzt zurück und hielt sich die Hand vor den Mund. Dieser Mann war ja das reinste Monster!
»Jetzt verstehe ich alles«, sagte er, ging auf und ab und hob die Arme in höchster Bestürzung, während sie weinte, nervös lachte und sich dafür hasste. In welcher Hölle war sie nur? Sicher lachten auch die Verdammten in den Flammen.
»Es ist grauenvoll«, sagte sie.
»Das kann man wohl sagen, hundertsiebenundsechzig Zentimeter, es ist grauenvoll«, sagte er. »So gutwillig du auch sein magst, ich verstehe, es ist grauenvoll, es ist einfach zu viel.«
***
Helles Tageslicht draußen. Wie versteinert lag sie da, stellte sich tot, ein Zittern lief über ihren Körper, während er seit Stunden redete, unermüdlich. Er stand vor ihr, sein Schlafrock lag auf dem Boden, er trug immer noch die weißen Handschuhe, war aber splitternackt, denn ihm war heiß, er hatte drei angezündete Zigaretten zwischen den Lippen, rauchte, eingehüllt in eine Wolke, die der Schuldigen in den Augen brannte, rauchte wie wild und redete unaufhörlich, Dietschs Schweißgeruch in der Nase, Dietschs ekelhafte Lippen vor Augen, welche die Lippen seiner Geliebten berührten, o diese vier abscheulichen kleinen Beefsteaks in unablässiger Bewegung. Prediger und Prophet, lächerlich und moralisierend, redete und redete er, hatte Kopfschmerzen, gequält vom Bild der Geschlechtsorgane der beiden Ehebrecher und ihrer wie wahnsinnig umeinander kreisenden Zungen, machte Vorwürfe, wetterte, geißelte die Verworfenheit der Sünderin, berief sich auf seine sittsamen Großmütter, die sich ihr Haar keusch mit Netzen aus Gagat bedeckten, denn das Haar ist eine Nacktheit, sagte der Talmud, und lobte die tugendhafte sexuelle Inkompetenz der Jüdinnen auf Kephalonia, für die der schöne Mann immer einen imposanten Bauch haben musste. Und alle treu ihrem Herrn und
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