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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Gemahl!
    Reglos und mit gesenktem Kopf hörte sie ihn durch den Nebel des Zigarettenrauchs und verstand kaum etwas, betäubt von Müdigkeit und Unglück, während er sich in traurigen Späßen über die Umarmungen Dietschs und Arianes erging und sie lächerlich machte, um sie zu erniedrigen, um den Zauber Dietschs, des fernen und begehrten Dietsch, zu brechen. Schließlich erhob sie sich, entschlossen davonzulaufen. Nein, nicht die Kraft, einen Zug zu besteigen. Ins Royal. Nichts mehr wissen, ihn nicht mehr hören, schlafen.
    »Lass mich gehen.«
    Er näherte sich ihr und kniff sie ins Ohr, ohne Überzeugung. Er hatte keine Lust, ihr weh zu tun. Aber sollte er sie etwa anflehen zu bleiben? Ausgeschlossen. Mit schlaffem Arm und unwirklichen Fingern kniff er sie noch einmal ins Ohr, in der Hoffnung, dass die Szene weiterginge und sie bliebe.
    »Genug! Rühr mich nicht an!«
    »Und er, hat er dich etwa nicht angerührt?«
    »Aber anders«, murmelte sie ganz benommen vor Schlaf und Müdigkeit.
    Anders! O die rote Eselin! Und ihm sagte sie das! Er hielt an sich, um sie nicht zu schlagen. Wenn er sie schlug, würde sie gehen. Der Wecker klingelte. Sechs Uhr dreißig. Sie hindern, an den Siebenuhrzug zu denken.
    »Wiederhole, was du gesagt hast.«
    »Was habe ich gesagt?«
    »Du hast gesagt, anders.«
    »Schön. Anders.«
    »Was bedeutet dieses anders?«
    »Dass er mich nicht ins Ohr gekniffen hat.«
    »Warum?«, fragte er mechanisch, weil ihm nichts mehr einfiel, aber er musste trotzdem weitermachen.
    »Warum was?«
    »Warum hat er dich nicht ins Ohr gekniffen?«
    »Weil er nicht vulgär war.«
    Er betrachtete sich im Spiegel. Er war also vulgär, trotz der weißen Handschuhe.
    »Wie hat er dich denn angefasst?«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    »Sag, wie er dich angefasst hat.«
    »Aber das weißt du doch! (Er durfte sie nicht schlagen.) Mein Gott, siehst du denn nicht, dass du unsere Liebe in den Schmutz ziehst?«
    »Umso besser! Übrigens verbiete ich dir, von unserer Liebe zu reden. Du hast dich zu sehr dietschen lassen.«
    »Dann lass mich endlich gehen.«
    »Hast du auch ihm gesagt, dass du seine Frau bist? Und wahrscheinlich auf Deutsch?«
    »Ich habe ihm überhaupt nichts auf Deutsch gesagt.«
    »Und auf Französisch?«
    »Ich habe ihm nichts gesagt.«
    »Du lügst. Ihr wart doch nicht die ganze Zeit stumm. Sag mir, was du ihm in diesen Augenblicken gesagt hast.«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    »Du hast ihm doch Worte gesagt. Ich muss wissen, welche.«
    »Mein Gott, warum redest du nur ständig von diesem Mann?«
    Es stimmte, indem er dauernd von ihm sprach und seine Umarmungen heraufbeschwor, hatte er ihm in Wirklichkeit zu noch größerem Ansehen verholfen, seinen fernen Zauber noch verstärkt, ihn anziehender und verlockender für sie gemacht. Und jetzt, da ihr dieser Dietsch nicht mehr aus dem Sinn ging und sie die vergangenen Freuden durch die Schuld des gehörnten Langweilers wieder erlebte, hatte sie vielleicht Lust bekommen, die einstige Bettgymnastik mit dem auferstandenen und aufregenden Dietsch wiederaufzunehmen. Sei’s drum. Er musste alles wissen.
    »Sag mir, was du zu ihm gesagt hast«, sagte er, jede Silbe betonend.
    »Ich weiß nicht. Nichts.«
    »Hast du Geliebter zu ihm gesagt?«
    »Bestimmt nicht. Ich habe ihn nicht geliebt.«
    »Und warum hast du ihn dann gewähren lassen?«
    »Weil er zärtlich und wohlerzogen war.«
    »Wohlerzogen? Obwohl er dir Schläge auf den Hintern gegeben hat?«
    »Du bist gemein.«
    »Wenn man ihr Schläge auf den Hintern gibt, ist er wohlerzogen!«, schrie er außer sich. »Aber wenn man es ihr sagt, ist man gemein, und ich bin derjenige, den man verachtet, und er ist derjenige, den man schätzt! Du schätzt ihn doch?«
    »Ja, ich schätze ihn.«
    Sie konnten sich beide kaum noch auf den Beinen halten, aus dem Tritt gekommene Maschinen, schlaff vor Müdigkeit und Verwirrung. Draußen sangen jetzt alle Vögel ihre kleinen Hymnen an die Sonne. Benommen stand er da, immer noch nackt und rauchend, und betrachtete das unglaubliche Geschöpf, das es wagte, einen Mann zu schätzen, mit dem sie sich im Pfuhl des Schmutzes gewälzt hatte. Mit schmerzendem Arm stieß er sie schwach zurück, wie im Traum. Sie fiel sofort um, aber mit den Händen nach vorn, um den Sturz abzufangen. Dann blieb sie reglos auf dem Bauch liegen, die Stirn auf dem Arm. Der leichte Morgenrock war hinaufgerutscht und entblößte sie bis zu den Hüften. Sie stöhnte auf, rief ihren Vater und schluchzte.

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