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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Frau, die ihn so bedingungslos liebte und die es doch zugelassen hatte, dass Dietsch ihr mit seiner behaarten Hand die Bluse aufgeknöpft hatte. O dieses weiße Haar, o dieser schwarze Schnurrbart, die sie liebte!
    Sie blickte zu ihm auf, mit schönen flehenden Augen voller Liebe. Warum nur hatte sie die behaarte Hand gewähren lassen? Und mit welchem Recht hatte sie ihm in der ersten Nacht in Cologny, als er sich von ihr verabschiedet hatte, mit welchem Recht hatte sie ihm da gesagt, sie würde nicht schlafen, sie würde über das nachdenken, was ihr geschehen war, über dieses Wunder? Soll die Gedietschte doch bei ihrem Dietscher bleiben.
    »Mich wundert nur eins«, begann er mit melodischer Stimme und schob das kleine Silberschiffchen mit der grünen Soße für die frittierten
supions
in gefährlichem Zickzack über den Tisch, »mich wundert nur, dass du mich nie Adrien oder Serge nennst. Es ist doch seltsam, du verwechselst uns nie, trotz des Gedränges, du sagst immer Sol. Wird dir das nicht langweilig, immer der gleiche Name? Es wäre doch famos, wenn du mich Adrisergolal nennen würdest, findest du nicht? Dann hättest du alle Vergnügen auf einmal.«
    »Lass das, ich bitte dich. Du bist kein böser Mensch, das weiß ich. Komm wieder zu dir, Sol.«
    »Das ist nicht mein Name. Wenn du mich nicht bei meinem richtigen Namen nennst, werde ich dich nie mehr küssen und dich nie mehr adrisergolieren. Oder nenn mich doch Herr Nummer Drei.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich dich nicht entwürdigen will. Weil du mein Geliebter bist.«
    »Ich bin nicht dein Geliebter. Ich will dieses Wort nicht, das du für einen anderen benutzt hast. Ich will ein Wort ganz für mich allein, ein wahres Wort. Also los, du Sammlerin, ein bisschen Wahrheit! Nenn mich Herr Nummer Drei!«
    »Nein«, sagte sie und blickte ihm in die Augen, schön, ehrfurchtgebietend.
    Er bewunderte sie. Deshalb dachte er daran, die Sauciere mitsamt Inhalt an die Wand zu schleudern. Doch das würde Ärger mit dem Hotel geben. Und so verzichtete er darauf und schaltete das Radio ein. Der entsetzliche Mussolini sprach, und ein ganzes Volk liebte ihn. Und er, was tat er? Er quälte eine wehrlose Frau. Wenn sie ihm wenigstens ins Gesicht schreien würde, dass Dietsch sie angeekelt und sie mit diesem Mann keine Lust empfunden hatte. Aber die einzigen Worte, mochten sie auch gelogen sein, die ihn beruhigt hätten, die sagte sie nicht, würde sie nie sagen, weil sie zu edel war, ihren ehemaligen Liebhaber zu verleugnen, zu beschmutzen oder lächerlich zu machen. Das rechnete er ihr hoch an, aber er hasste sie dafür.
    »Komm wieder zu dir«, sagte sie und reichte ihm die Hände. (Er zog die Brauen hoch. Mit welchem Recht duzte sie ihn?) »Sol, komm wieder zu dir!«, wiederholte sie.
    »Das ist nicht mein Name. Ich werde wieder zu mir kommen, wenn du mich korrekt darum bittest. Los, nur Mut!«
    »Herr Nummer Drei, kommen Sie wieder zu sich«, sagte sie ganz leise nach einer Pause.
    Er rieb sich die Hände. Endlich ein bisschen Wahrheit. Er dankte ihr mit einem Lächeln. Doch plötzlich knöpfte ihr der Dirigent im Frack und mit weißer Fliege die Seidenbluse auf. O der schwarze Schnurrbart auf ihrer goldenen Brust! Oh, wie sie gurrte unter dem Mund dieses schnurrbärtigen weißmähnigen Babys, das an ihrer Brust saugte, saugte und dabei gefräßig mit dem Kopf nickte. O ihre von seinen Schneidezähnen gefangen gehaltene Brustwarze und seine Zunge, die sie umspielte! Und sie hatte die Stirn, hier vor ihm die Heilige zu mimen, die Anständige, keusch zu Boden Blickende! Und jetzt lockerte das Dirigentenbaby seinen Biss und leckte mit seiner haarigen Zunge, seiner Rinderzunge die Brustwarze, die spitzer war als eine deutsche Pickelhaube! Und während der Stier sie leckte, lächelte sie, die Choralklimperin! O die behaarte Hand, die ihr jetzt den Rock hochhob! Er erschauerte vor Abscheu und ließ seinen Rosenkranz mit den Bernsteinkugeln zu Boden fallen. Sie bückte sich, um ihn aufzuheben, und dabei öffnete sich ihr Morgenrock einen Spalt und entblößte ihre Brüste. Dieselben Brüste, keine ausgewechselten, dieselben, die dem anderen gedient hatten! Alles war da! Es fehlte nur noch der andere mit seinen Haaren!
    »Gibt es eine besondere deutsche Art, sich zu begatten?«
    Sie antwortete nicht. Da nahm er die Schale mit der Mousse au chocolat und schleuderte ihren Inhalt auf die Begattete, zielte aber absichtlich schlecht, um sie nicht zu treffen. Aber er hatte

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