Die Schöne des Herrn (German Edition)
erzählte mir Eisenbeißer ganz vertraulich, er wolle sich im Institut Pasteur tollwütige Hunde kaufen, um sie heimlich nach Deutschland zu schmuggeln, damit sie dort ein paar Deutsche beißen, die dann ebenfalls tollwütig werden und andere Deutsche beißen, und so weiter, bis all diese Verfluchten sich gegenseitig gebissen haben. Ich habe ihm eine solche Abscheulichkeit streng verboten und ihm erklärt, dass wir ja keine Deutschen seien! Nun ja, haben wir lange diskutiert, und er hat sich geschlagen gegeben! Danach bin ich mit Salomon ausgegangen, um die Luft des Sees zu atmen, und wir spazierten am Ufer und hielten uns am kleinen Finger. Danach haben wir uns die Reformationsmauer angesehen, die großartig ist. Wir haben vor den vier großen Reformatoren unsere Häupter entblößt und ihnen eine Schweigeminute gewidmet, denn der Protestantismus ist eine edle Religion, und die Protestanten sind sehr ehrlich und sehr korrekt, das ist bekannt. Du hättest Salomon sehen sollen, stramm wie ein Soldat, ganz ernst stand er da mit seinem kleinen Strohhut in der Hand. Er wollte sogar noch eine zweite Schweigeminute einlegen. Ich finde, dieser Herr Calvin hat einen etwas ähnlichen Charakter wie unser Lehrmeister Moses, natürlich nur ganz entfernt, denn unser Lehrmeister Moses ist unvergleichlich, und er ist der einzige Freund des Herrn gewesen, einen anderen hat es nie gegeben, ganz klar! Aber dieser Calvin gefällt mir sehr, streng, aber gerecht, da versteht er keinen Spaß! Und dann haben wir uns noch die Universität angesehen, die direkt gegenüber liegt. Den Spruch, der über der Eingangstür eingemeißelt ist, habe ich auswendig gelernt, ich werde ihn dir sagen, du wirst sehen: ›Indem das Volk von Genf dieses Gebäude den höheren Studien weiht, huldigt es den Wohltaten der Bildung, der fundamentalen Garantie seiner Freiheiten.‹ Ist das nicht schön? Dieser Satz ist der Gedanke eines großen Volkes, glaub mir! Ich muss gestehen, dass ich eine verstohlene Träne fortgewischt habe. Und Salomon hat seinen Hut abgenommen und wollte der Universität noch eine Schweigeminute widmen! So, jetzt habe ich dir meinen gestrigen Tag erzählt. Übrigens, mein lieber Junge, geht es deinem Chef, diesem Engländer, immer noch gut?«
»Sehr gut«, sagte Solal lächelnd.
»Gott sei Lob und Dank«, sagte Saltiel, und dann seufzte er. »Aber er ist doch schon in vorgerücktem Alter.«
»Er hat eine eiserne Gesundheit.«
»Gott sei Lob und Dank«, sagte Saltiel und hüstelte. »Du bist also mit der Weltpolitik zufrieden. Aber pass auf, falls dieser Hitler dich zum Mittagessen einlädt, lehne ab! Natürlich, solltest du gezwungen sein, aufgrund deiner Stellung die Einladung anzunehmen, geh hin, aber erklär ihm, deine Leber täte dir weh und du dürftest nichts essen. Ich habe gehört, er habe einen Schrank voller Gift. Iss also um Himmels willen nichts bei ihm, und wenn er sich ärgert, mach dir nichts draus! Soll er sich ärgern und verrecken, und verflucht sei seine Nase! Stell dich gut mit den Franzosen und den Engländern. Schmeichle ihnen ein bisschen in deinen Briefen, vorzügliche Hochachtung und dergleichen. Und nun, mein Sohn, was hast du wegen des Diners heute Abend beschlossen?«
»Ich werde hingehen.«
»Hohe Persönlichkeiten, nehme ich an?«
»Sie ist schön, und ihr Name ist Ariane.«
»Israelitin, mein Sohn?«
»Nein. Ich sehe sie heute Abend ein letztes Mal, und dann ist Schluss, ich lasse sie in Ruhe. Auf Wiedersehen, Onkel.«
Er setzte ihm die Mütze auf, küsste ihn auf die Schulter, begleitete ihn zur Tür, und der arme Saltiel fand sich verloren auf dem schwach beleuchteten Flur wieder. Langsam ging er die Treppe hinunter, rieb sich die Nase und kratzte sich die Stirn. Das war wirklich eine Manie von ihm! Dieser Junge fand nur an den Töchtern der Christenmenschen Gefallen! Zuerst war es die Konsulin gewesen, dann die Cousine der Konsulin, die arme, inzwischen verstorbene Frau Aude, und Gott weiß wie viele danach, und jetzt diese Ariane! Gewiss, all diese blonden Damen waren sehr charmant, aber schließlich gab es ja auch charmante, gebildete und Gedichte aufsagende Israelitinnen. Was fehlte ihnen denn außer der Blondheit?
Nach einem melancholischen an den Portier gerichteten Gruß ging er auf die Straße hinaus, wo die Möwen mit antisemitischem Blick umherflogen und blöde und fressgierig schrien. Er blieb vor dem See stehen. Ein so schönes und reines Wasser, man würde bezahlen, um davon zu
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